Erst ab 18: Meg Stuarts neue Performance über Sex und Körper

Unbequeme Zügellosikgeit: Uraufführung von Meg Stuarts „Until our hearts stop“ an den Kammerspielen
Vesna Mlakar |
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Unbequeme Zügellosikgeit: Uraufführung von Meg Stuarts „Until our hearts stop“ an den Kammerspielen

 

Meg Stuarts existenzialistische Arbeit war seit 2010 ein fester Baustein in Johan Simons länder- und spartenübergreifender Cross-Over-Programmatik. Nun heißt es Abschiednehmen von ihren mit Tanz verquickten, stark körperlich-performativen Produktionen. Diese hatte man der Genre-Offenheit des scheidenden Intendanten zu verdanken.
Stuarts Uraufführung „Until our hearts stop“ mit ihrer Gruppe „Damaged Goods“ war eine krasse Herausforderung, herkömmliche (Erfahrungs-)Grenzen auf der Suche nach neuen, zwischenmenschlich besseren Begegnungsformen einzureißen. „Unsere Welt besteht aus Regeln. Diese gilt es zu verhandeln“, erklärt Stuart. Und dass es „manchmal nicht genug Bereitschaft gibt, albern und kreativ zu sein.“


Abhilfe soll ein esoterisch-aufgeladener Performance-Trip schaffen, für den Doris Dziersk (Bühne) und Nadine Grellingen (Kostüme) die Spielhalle in ein swingertaugliches, violettes Keller-Nachtclub-Ambiente verwandelt haben, mit schwarzem Sofa und einer rautenförmig-lackglänzenden Spielfläche. Der Raum als Wohlfühlzone für Hemmungslosigkeit.
Einmal drin, wird man schnell Teil einer freakigen Gemeinschaft, die sich zärtlich kost, magmaartig knuddelt, lustvoll balgt. zu akrobatischen Fleischtürmen aufbaut oder auf die nackte Haut schlägt. Oder dem Partner einen Tonkopf an die Birne modelliert, der anschließend auf dem Boden wieder zu erdiger Masse gemanscht wird. Typisch, dieses Spiel um Aggression und Verletzlichkeit, mit dem Stuart mal politische, mal soziale Strukturen bricht und den Betrachter aus seiner vermeintlich geschützten Bequemlichkeit rüttelt.

Zur Vorbereitung besuchten sie Tantra-Workshops

Trotz vieler Premierenlacher und amüsanten Einsprengseln ist Stuarts jüngstes Werk keine leichte Kost – weder für die Zuschauer, noch für die Akteure. Stuarts sechs Performer – darunter Kristof Van Boven, dessen dahingetuschelter Sinatra-Verschnitt echte Showklasse hat – lassen alle Hüllen und die Schranken des sogenannten guten Benehmens fallen.
Anfangs stille, sinnlich-relaxende Passagen steigern sich zu eindeutig sexuellen, ekstatischen Zuständen. Auch körperlich Privates wird bewusst dem Voyeurismus ausgesetzt, und in einer Pause gehen die Performer die Zuschauer wie alte Bekannte an und überhäufen sie mit Snacks, Wohnungsschlüsseln und Körperschweiß.


Den Probenprozess prägten unter anderem Tantra- und Hypnose-Workshops sowie Motivationsbegriffe wie Begierde, Verlangen, Intimität und Körpersicherheit bei totaler Nacktheit. Und die enge Zusammenarbeit mit dem genialen Jazz-Trio Paul Lemp (Bass), Marc Lohr (Schlagzeug) und Stefan Rusconi (Klavier/Trompete).


Wie klanglich dicht und empfindsam die drei persönlichkeitsentblößende Situationen begleiten, trägt entscheidend zum Gelingen des Abends bei. Die Energie, die in Extreme schießt, fangen sie akustisch auf. Und durchaus vorhandene Längen werden so – im Wortsinn – gut überspielt.    


Weitere Vorstellungen: 20., 24., 26., 29. Juni, 1., 14., 16., 17. Juli, jeweils 20 Uhr, Spielhalle der Münchner Kammerspiele. Karten:  233 966 00. Für Zuschauer unter 18 nicht geeignet.

 

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