Ende für die Brache an Münchens Ostbahnhof? Entscheidung ums Gigaprojekt Konzerthaus ist gefallen
"Kulturkaskade" nennt sich die 2023 von Markus Blume vorgestellte Strategie, um den Sanierungsstau bei staatlichen Kultureinrichtungen schrittweise aufzulösen. Die Voraussetzung dafür ist der Neubau eines Proben- und Werkstättengebäudes für das Bayerische Staatsschauspiel, auf den eine Sanierung des Residenztheaters folgen soll. Dann kommt das Nationaltheater an die Reihe.
Im Gespräch mit Anna Kleeblatt und Markus Michalke von der Initiative Kulturzukunft erläuterte Bayerns Staatsminister für Wissenschaft und Kunst im Marstall den Stand der Dinge und gab Ausblicke auf die Planungen für das Konzerthaus im Werksviertel und die ebenfalls dringend fällige Sanierung des Hauses der Kunst.

Residenztheater
Der Bau des Proben- und Werkstättenzentrums in der Hohenlindener Straße verläuft nach Plan. Erster Spatenstich war im Sommer 2023, Richtfest vor einem Jahr. Mit der Fertigstellung ist in einem Jahr zu rechnen. Dann kann die Sanierung des Residenztheaters geplant werden: "in absehbarer Zeit".
Blume rechnet mit einer Planungsphase von fünf Jahren und einer Bauphase in gleicher Länge. Der Spielbetrieb wird im Cuvillièstheater und dem Marstall fortgesetzt, einzelne Produktionen sollen im Prinzregententheater gezeigt werden.
Ein kompletter Umzug nach Bogenhausen wie bei der letzten Sanierung in den 1990er Jahren ist nicht vorgesehen, um die Theaterakademie und die Konzerte privater Veranstalter nicht zu vertreiben.
Offene Fragen
Das Residenztheater hat 881 Plätze, das Cuvilliestheater 437, teilweise mit sehr schlechter Sicht. Das Prinzregententheater gilt schon heute als überbucht, die Bespielung des Rokokotheaters wird vom Denkmalschutz generell kritisch gesehen. Weniger Besucher bedeuten weniger Einnahmen. Kann das Haus sein großes Ensemble in der Sanierungszeit weiter beschäftigen? Bedeutet das Kürzungen, die später nicht mehr zurückgenommen werden?

Bayerische Staatsoper
Im Herbst wurden innerhalb von 12 Wochen 13 Millionen verbaut, um das Nationaltheater weiter spielfähig zu halten. Eine große Sanierung für das größte Opernhaus in Deutschland und das drittgrößte der Welt ist im kommenden Jahrzehnt unausweichlich. Einen kompletten Neubau an einem anderen Ort nach Hamburger Vorbild kann sich Blume nicht vorstellen, ein Interimstheater gleicher Größe wäre sehr teuer. Auch das schloss der Minister aus.
Derzeit würden in Gesprächen mit der Leitung die Maximalansprüche heruntergeschraubt. Blume wünscht sich mehr Offenheit und Experimentierfreude. Er sprach von einem "pädagogisch wertvollen Prozess", dem der Intendant Serge Dorny derzeit unterzogen werde. Es gelte aber, das Haus auch während der Sanierung in der Top-Ten der weltweiten Opernhäuser zu halten. Auch am Repertoirebetrieb soll festgehalten werden.
Blume kann sich vorstellen, die Sanierung eventuell in mehrere Phasen aufzuteilen, um eine jahrelange Schließung zu vermeiden.
Offene Fragen
Ähnlich wie beim Residenztheater: Weniger Besucher bedeuten sinkende Einnahmen. Was machen Hunderte von Spezialisten in den Werkstätten, wenn für ein halbes Jahrzehnt keine großen Produktionen mehr gezeigt werden? Auch hier besteht die Gefahr von Kürzungen. Blume kann sich halbszenische Vorstellungen und Experimente mit ungewöhnlichen Spielstätten vorstellen, die in der Staatsoper derzeit eher mit Skepsis und als Qualitätsverlust betrachtet werden. Ob die Paketposthalle als Interimsspielstätte ganz aus dem Rennen ist, blieb offen.
Konzerthaus
Der Neubau im Werksviertel wird kommen - allen Unkenrufen zum Trotz: Mit einem Kabinettbeschluss sei im Januar zu rechnen. Es gäbe Angebote, das von Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gewünschte Gebäude in abgespeckter für eine halbe Milliarde Euro zu errichten. Es soll in Partnerschaft mit einem privaten Investor errichtet werden. Das Konzerthaus bekommt einen Orchestergraben und soll von der Staatsoper während der Sanierungsphase mitgenutzt werden.

Offene Fragen
Der Orchestergraben dürfte beim BR-Symphonieorchester als Bedrohung der geplanten Top-Akustik verstanden werden, konzertante oder halbszenische Aufführungen sind in der Staatsoper derzeit unbeliebt. Auch das Publikumsinteresse ist verhalten.

Haus der Kunst
Die Sanierung wurde bereits 2014 vom Landtag bewilligt, ohne dass Baukräne aufgestellt worden wären. Blume lobte das von Andrea Lissoni geleitete Ausstellungshaus für seine Erfolge. Die Planung komme voran, 2027 könne die Sanierung losgehen. Es sei vorgesehen, das Haus zum Englischen Garten hin zu öffnen und den hässlichen Parkplatz verschwinden zu lassen. Auch der Außenbereich in Richtung Eisbach soll schöner werden.

Neue Pinakothek
"Jetzt wird’s unangenehm", sagte Blume, als dieses Thema angeschnitten wurde. Der Minister bedauerte die Kostenexplosion bei der Sanierung um 44 Prozent von 220 auf 316 Millionen Euro. Derzeit sei das Haus auf seinen Rohbauzustand zurückgeführt. Er rechnet trotzdem mit einer Wiedereröffnung in vier Jahren - als neues, attraktiveres und zugänglicheres Museum für die Kunst des 19. Jahrhunderts.

Musikhochschule
Die soll während der Sanierung in die Frankenthaler Straße umziehen. Die früher von der Hochschule für Fernsehen und Film und vom Gärtnerplatztheater genutzten Räume werden so ertüchtigt, dass eine sinnvolle Nachnutzung möglich ist.
Marstall
Der Bau, in dem sich die dritte Bühne des Residenztheaters befindet und früher ein Teil der Werkstätten untergebracht waren, muss saniert werden. Denn die Holzpfähle, auf denen das Fundament ruht, werden nicht mehr vom Grundwasser konserviert. Das Problem sei erkannt, aber derzeit nachrangig.

Staatliches Bauen
Wegen des europäischen Vergaberechts müsste man immer den billigsten Anbieter nehmen. Der sei aber nicht immer der beste. Die Bayerische Staatsregierung plant nach österreichischem Vorbild die Gründung einer AG. Sie soll staatliche Baumaßnahmen nach privatwirtschaftlichen Regeln schneller, einfacher und unbürokratischer durchführen. Blume kann sich auch vorstellen, mehr Bauten von privaten Investoren errichten zu lassen und anschließend anzumieten. Außerdem soll mehr Geld in den Bau-Erhalt und "Kleine Baumaßnahmen" gesteckt werden, um teure Sanierungen zu vermeiden. Dafür sind im Haushalt 81 Millionen Euro vorgesehen.
Ein Video der Veranstaltung ist demnächst auf der Homepage der Initiative Kulturzukunft Bayernverfügbar.









