Eine Gallenkolik wird Musik
Was Lustiges vom Sterben: Die valentineske Kammeroper „Birnbaum so blau juche“ von Anton Prestele im Tams-Theater
Da liegen sie in ihren Krankenbetten, zwei todgeweihte Krebspatienten. Der eine von Kopf bis Fuß bandagiert mit roter Nase, der andere distinguiert im Pyjama. Und sie reden ebenso valentinesk wie ernsthaft über ihr nahes Ende. Neben ihnen wächst ein Birnbaum, hin und wieder kommt ein Pärchen vorbei und singt „Drunt in der greana Au steht a Birnbaum so blau, juchhe“.
Zwischen absurder Komik und zarter Tragik bewegt sich das neue Opus „Birnbaum so blau juchhe“ von Anton Prestele, dessen Uraufführung der Komponist, Autor und Regisseur im TamS inszenierte. Berühmt wurde der 63-jährige Allroundmusiker 1985 berühmt mit seiner Wirtshausoper „Heimatlos“. Er hat sich nie einem System angepasst und blieb mit all seinen Projekten immer weit jenseits des Mainstrams. Eine Gallenkolik brachte ihn unlängst auf die Intensivstation – das ließ ihn über das Sterben nachdenken.
Den Birnbaum pflanzte man einst auf Gräber – aber in dem Münchner Volkslied steht er in all den strophischen Verästelungen vom Zweigerl bis aufs Nesterl eher für Neuanfänge. Um diese Spannweite geht’s Prestele. Seine Protagonisten sind Clowns: Der fast schon als Mumie verpackte Christian Buse macht den prollig dummen August, sein stoischer Bettgenosse Lorenz Claussen ist trotz seines Intellekts nicht unbedingt klüger. „Geht die Angst vom Reden weg?“, fragt auch er sich. Die Dialoge sind witzig und bairisch-lakonisch – Karl Valentin schwebt über allem.
Prestele nennt sein Werk eine „Kammeroper für vier Schauspieler, Geige und DJ“. Den DJ gibt er selbst: Im Dirigentenfrack steuert er vom Mischpult in der ersten Reihe sein synthetisches Orchester, das die fabelhafte Live-Solo-Geigerin Katja Duffek unterstützt. Das eine Oper zu nennen, ist etwas vermessen. Es ist ein strophisch gegliedertes Kammerspiel, die Musik setzt szenische Zäsuren. Burchard Dabinnus und Ines Honsel singen das „Birnbaum“-Volkslied, musikalisch immer leise halbschräg verschoben. Und wagen als Arzt und Schwester auch mal ein Tänzchen, ehe die Todeskandidaten nach Hause entlassen werden. Der eine geht bewusst zum Sterben, der andere glaubt naiv ans Leben – aber beide sind nur zwei Seiten desselben Menschen. [
TamS-Theater, 14., 15., 17., 21. bis 24. Nov., 1., 5., 6., 8., 9. Dez., 20.30 Uhr, Tel. 345 890
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