Echt gut: „Schtonk“ im Zentraltheater

Für 3,50 DM gab es im April 1983 eine Sensation zu erwerben: „Hitlers Tagebücher entdeckt“, titelte die Zeitschrift „Stern“ und druckte jene vermeintlich privaten Schriften Adolf Hitlers ab, die sich später als Fälschungen des Malers Konrad Kujau herausstellten.
Was die größte Sensation sein sollte, wurde zur größtmöglichen Blamage. 1992 hatte dann Helmut Dietls Film zum Thema Premiere: „Schtonk!“ Nun hat Regisseur Stefan Kastner die Komödie im kleinen Zentraltheater mit einem nur vierköpfigen Ensemble auf die Bühne gebracht. Funktioniert das?
Der Film, der freilich nicht Dietls bester und bei erneuerter Betrachtung eine teilweise unerträgliche Klamotte ist, setzt auf Opulenz und ein großes Star-Ensemble. Neben Uwe Ochsenknecht als Fälscher und Götz George als Skandalreporter spielen Christiane Hörbiger, Harald Juhnke, Veronica Ferres und Ulrich Mühe mit.
Es gibt große Feiern im Schloss, Pressekonferenzen und Szenen auf der ehemaligen Jacht von Hermann Göring. Wie Ochsenknecht verschwitzt und völlig fertig über den Tagebüchern brütet, sie für den angebrannten Look in den Toaster steckt und selbst immer mehr wie Hitler aussieht und spricht, hat sich ebenso ins kollektive Gedächtnis eingebrannt wie Veronica Ferres, die dem Maler als Nacktmodell für sein Eva-Braun-Portrait posiert.
Das Helle kostet noch zweieinhalb Mark
Das alles 30 Jahre später auf eine kleine Theaterbühne übertragen? Kann das funktionieren? Will das jemand sehen?
Der Regisseur Stefan Kastner ist immerhin einer, der weiß, was er tut. Er nimmt also das Drehbuch, kürzt es geschickt, schneidet und vermengt die Szenen so, dass sie für sein wandlungsfähiges Ensemble ohne große Ausstattung spielbar werden. Links auf der kleinen Bühne wird die Dorfkneipe angedeutet, in der alle möglichen Treffen abgehalten werden, in der ein Helles noch 2,50 DM kostet und an der Wand ein kleines Helmut-Dietl-Portrait als Huldigung an den Meister hängt. Rechts das Atelier des Malers samt Chaiselongue für den einen oder anderen Liebesakt mit Eva Braun beziehungsweise ihrem Modell. Alles andere findet einfach ohne große Ausstattung in der Mitte der Bühne statt.
Gerd Lohmeyer, Chiara Piu, Mara Widmann und Franz-Xaver Zeller schlüpfen in die wichtigsten Rollen, verwandeln sich in kürzester Zeit und haben keinerlei Scheu vor ihren großen Vorbildern. Hie und da zitieren sie natürlich ikonische Szenen und Momente aus dem Film, doch machen sie sich die Rollen erfrischend zu eigen, lösen sich so weit vom Original wie nötig.
Gefälschte Tatsachen
Wenn da zum Beispiel der Künstler-Fälscher dem Kunst-Sachverständigen sein Eva-Braun-Portrait präsentiert, nervös, als Fälscher enttarnt zu werden, und dieser nicht nur die Echtheit bestätigt, sondern gar behauptet, selbst dabei gewesen zu sein, als Hitler die nackte Eva hinter dem Berghof malte - dann ist das im Film eine der stärksten Szenen und auch auf der Bühne. Weil hier exemplarisch klar wird, wie all das funktioniert: weil der Mensch nämlich oft eitel ist und geltungssüchtig. Und es dafür mit der Wahrheit nicht ganz so genau nimmt.
Die Frage, ob und warum dieser Stoff nun wirklich noch einmal hochgeholt werden muss, wird nicht bis ins letzte geklärt an diesem Abend. Wäre so etwas heute noch möglich? Dass einer in seiner Scheune mit Tinte in altdeutscher Schrift Geschichten über die eigene Verdauung in ein Heftchen kritzelt und diese dilettantischen Erzeugnisse der Welt als Hitler-Tagebücher verkauft? „Nein!“, will man laut rufen. Und hält dann doch kurz inne. Denn muten diese Fake-News auch komplett abstrus an: Gibt es heute nicht noch viel mehr, was einfach in die Welt geschrien und von vielen geglaubt wird, auch ganz ohne mühsame Fälschungen?
Zentraltheater, Paul-Heyse-Straße 28, wieder vom 30. September bis 2. Oktober, 20 Uhr, Karten gibt es unter zentraltheater.de