Drei Schwestern und ihre Sehnsucht
Bei Anton Tschechow haben die drei Schwestern einen Sehnsuchtsort: "Nach Moskau! Nach Moskau!" wünscht sich Irina am Ende des zweiten Akts mit wachsender Verzweiflung weg aus dem russischen Provinzstädtchen, in dem sie mit ihrer Familie um das Jahr 1900 lebt.
Die Münchner Schauspielerin, Autorin, Theaterpädagogin und Regisseurin Anna Funk hat das geschwisterliche Trio für ihr Projekt "3Sis! Oder: Wie viele Leben passen in eins?" in unsere Gegenwart verlegt und siedelt deren Herkunft in einem Bauernhof in Siegertsbrunn an.
Hauptsache, dem Hund geht's gut
Den haben freilich alle längst verlassen. Ganz in der Nähe lebt Maria mit ihrem Mann und ihrem Sohn, der gerade seinen siebten Geburtstag feiert. Helga hat als promovierte Mathematikerin in einer Computerfirma ihren Traumjob bekommen und ist nicht einfach nur zufrieden, sondern glücklich mit ihrem Leben, das sie mit Herrn Schmidt, ihrem abgöttisch geliebten Hund, teilt.
Irene hat auch ihren Sehnsuchtsort gefunden und arbeitet als Schauspielerin in Berlin. Anna Funk spielt alle drei so völlig unterschiedlichen Frauen in ihrem Stück, das sie im Theater im Fraunhofer vorgestellt hat. Der schauspielerischen Herausforderung, die sie sich stellte, ist sie mehr als nur gewachsen. Sehr einfühlsam, differenziert und plastisch stellt sie die Figuren auf die Bühne, die für Funks Präsenz fast ein wenig eng erscheint.
Wenn der Mann prügelt, gibt der Sohn Hoffnung
Da ist die leicht verdruckste Maria, die dem Publikum eindrücklich zu erklären versucht, warum sie ihren Mann liebt, obwohl er sie regelmäßig verprügelt; der Algorithmen-Nerd Helga mit dem großen Ego, die als einzige noch ein derbes Oberbayerisch spricht; die theatralisch auftrumpfende Irene, deren temperamentvolle Künstlerseele von Selbstzweifeln und notorischem Geldmangel bedroht ist.
Für jeden Auftritt zieht sie sich komplett um und erscheint in perfektem Kostüm. Das ist das Problem dieses Abends. Lange verschwindet sie für die Umzüge und lässt ihr Publikum zu zeitgenössischem Pop und Rock im Dunkel sitzen. Dass die Leute dortbleiben, hat natürlich mit der funkschen Schauspielerei zu tun, der man gerne zuschaut.
Fabelhafte Texte machen neugierig
Zudem ist es ein starkes Stück mit Texten einer Qualität, die Interesse daran wecken, was aus den drei Schwestern wird - auch wenn jeder Monolog erst seine eigene Spannung aufbauen muss.
Am Schluss und nach tragikomisch erzählten Schicksalsschlägen wechseln die Traumziele - ein "nach Berlin" ins wilde Leben für Maria und Helga. Irene hingegen sehnt sich nach dem bodenständigen Dasein als Bäuerin auf dem elterlichen Hof, nach dem Motto: "Heiraten, Kinder kriegen, dumm schauen".
Theater im Fraunhofer, wieder am 1. März, 5. und 6. Juni 2025, 20 Uhr,
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