Die Welt verändert sich
Für viele Kinder ist sie die erste Oper: „Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck. Die alte Inszenierung von Herbert List hatte im Dezember ihre letzte Vorstellung. Ab Palmsonntag zeigt die Staatsoper die fantasievolle Deutung des Regisseurs Richard Jones, die zuvor bereits an der New Yorker Metropolitan Opera zu sehen war.
AZ: Frau Müller, Frau Erraught, war auch für Sie „Hänsel und Gretel“ die erste Oper?
HANNA-ELISABETH MÜLLER: Ich habe die Oper jedes Jahr mit meinen Eltern in Mannheim gesehen. Beim erste Mal war ich drei Jahre alt – wenn man ältere Geschwister hat, dann will man einfach mit.
TARA ERRAUGHT: „Hänsel und Gretel“ zu Weihnachten ist eine sehr deutsche Tradition, und ich stamme aus Irland. Meine erste Oper war Verdis „Aida“ in der Arena von Verona. Damals war ich 13 Jahre alt. In meiner Heimat gibt es seit der Wirtschaftskrise kein festes Opernhaus mehr, nur noch das Festival in Wexford, bei dem aber nur selten gespielte Werke aufgeführt werden.
Was war Ihre Zweit-Oper?
ERRAUGHT: Der „Barbier von Sevilla“ oder der „Liebestrank“ aber da habe ich schon studiert und an einem Meisterkurs teilgenommen. Ist „Händel und Gretel“ überhaupt etwas für Kinder? MÜLLER: Ich finde schon, weil man sie gut darauf vorbereitet kann. Jeder kennt die Geschichte, und es gibt CDs, auf denen die Kinder die wichtigsten Melodien vorher hören können.
Sind Sie auch in der alten Inszenierung aufgetreten?
ERRAUGHT: Meine Kollegin nicht, ich schon: als Sandmann. Die klassische Rolle für Anfänger und Mitglieder des Opernstudios. Außer in München habe ich den Sandmann auch 24-mal beim Festival in Glyndebourne gesungen.
Viele Leute trauern der alten Inszenierung nach. Was erwartet einen bei Richard Jones?
ERRAUGHT: Es gibt kein Lebkuchenhaus.
MÜLLER: Wenigstens nicht im traditionellen Sinn. Die Inszenierung ist sehr fantasievoll und gibt viele Anregungen, die der Zuschauer selbst weiterspinnen kann. Es ist nicht das Märchen aus dem Bilderbuch.
ERRAUGHT: Dafür spielt „Hänsel und Gretel“ jetzt im wirklichen Leben. Es gibt auch heute Kinder, die Angst und keinen vollen Kühlschrank haben. Ich mag besonders den Wald, der aus den Menschen herauswächst und den Kronleuchter aus lauter Geweihen. Es gibt viel mehr zu sehen als früher.
MÜLLER: Ich verstehe, dass viele Herzen an der alten Inszenierung hängen. Der Zeitgeist verändert sich, die Welt verändert sich. Und es ist doch toll, dass eine Inszenierung, die in New York sehr erfolgreich war, nun nach München kommt. Und die Aufführung erzählt mit anderen Mittel als die alte Inszenierung immer noch die Geschichte von „Hänsel und Gretel“.
Ist es schwer, zwei Kinder darzustellen?
MÜLLER: Ich bin sehr froh, keine Schuhe mit Absätzen tragen zu müssen. Mir macht es Spaß, das Alter abwerfen zu können und Kinder in ihren Bewegungen zu beobachten.
ERRAUGHT: Ich finde Männerrollen cooler. Als ich vor kurzem als Angelina in Rossinis „La Cenerentola“ an der Wiener Staatsoper gesungen habe, musste ich immer ermahnt werden, nicht immer die Beine zu spreizen und wie ein Mädchen die Knie beisammenzuhalten.
Mögen Sie Lebkuchen?
ERRAUGHT: In der Inszenierung gibt es vor allem Torte.
MÜLLER: Wir naschen nur davon, aber es gab schon bei den Proben eine wunderbare Schwarzwälder Kirschtorte – aber ohne Alkohol.
Richard Jones hat am Palmsonntag noch eine zweite Premiere: Brittens „Gloriana“ in Hamburg. Wie schafft er das?
MÜLLER: Er hat ein sehr gutes Team, mit dem wir sehr intensiv gearbeitet haben.