Die Verleihung des Passauer Scharfrichter-Beils

Friedemann Weise aus Köln gewinnt das Passauer Scharfrichter-Beil, aber der Wettbewerb endet mit einem kleinen Eklat
von  Gabriella Lorenz

Friedemann Weise aus Köln gewinnt das Passauer Scharfrichter-Beil, aber der Wettbewerb endet mit einem kleinen Eklat.

Im nächsten Jahr wird wieder alles anders, hofft Walter Landshuter. Er hat mit Edgar Liegl als Ur-Scharfrichter das Passauer Scharfrichterhaus sowie 1983 den Wettbewerb um die drei Beile gegründet, das Haus lange betrieben und das Programm gestaltet. Aber erstmals musste der Wettbewerb umziehen. Bis zum Innenhof im ersten Stock wurde das historische Gebäude vom Hochwasser im Juni 2013 überflutet.

Den Flügel, den man dort vorsichtshalber raufgehievt hatte, musste man nochmal umheben und aufbocken. Und weil das Erdgeschoss-Gewölbe immer noch trocknen muss, kann das Haus nach der Renovierung erst im Frühjahr wieder in Betrieb gehen. Deshalb mussten die sechs Finalisten aus 70 Bewerbungen für den renommierten Nachwuchs-Preis auch gegen die hallige Akustik des pompösen Rathaussaals kämpfen.

Den malte Ferdinand Wagner im 19. Jahrhundert mit Ereignissen aus Passaus Geschichte aus wie der Kaiser-Hochzeit 1673. „Dass wir mal in Passau eine Hochburg der Real-Satire erobern“, habe ihn selbst überrascht, bekannte Landshuter. Immerhin bietet der offiziöse Saal 300 Gästen Platz, ins Scharfrichterhaus passen höchstens 100. Aber in der Enge herrschte bessere Stimmung – und dass Zuschauer aus Protest gegen die Jury-Entscheidung demonstrativ den Saal verlassen, wäre da undenkbar. Sowas hielt man tapfer aus.

Die Publikums-Entscheidung per Stimmzettel war eindeutig: Abdelkarim, der Marokkaner aus Bielefeld, überzeugte mit seinen Beobachtungen der perfekten Integration von fremdländisch aussehenden Immigranten in Deutschland. Die Jury überzeugte Abdelkarim nicht so ganz mit den immer nach gleichem Klischee gestrickten Pointen. Auch das etwas eintönig geschmerzt klingende Liedermacher-Duo Simon & Jan sowie der als Typen-Kabarettist begabte Dresdner Erik Lehmann müssen weiterhin Worte statt Beile schwingen.

Das Mini-Hackebeilchen für den dritten Platz schwingen Hasemanns Töchter: Maria Hafner und Julia Loibl inszenieren sich mit ihren Akkordeons als schräger, artifizieller Bayern-Mix aus Volkssängerinnen und Dirndl-Soubretten. Musikalisch und gesanglich perfekt und textlich gerne dadaistisch spießen sie skurrile Alltagsbegebenheiten auf.

Blonder Engel nennt sich ein Musikkabarettist aus Linz – und stellt sich provokativ so auf die Bühne: langes Blondhaar, nackter Oberkörper, flauschige Engelsflügel, hautenge Gold-Leggings. Damit hat er auch gerade im Kabarett Kaktus gesiegt. Er spielt virtuos Gitarre und Banjo, singt in vielen Genres mit einer Stimme bis in Basstiefen seine seltsamen Überlegungen zu seinem Traum vom Country-Bua oder der Liebe zu Naturwissenschaften. Und ironisiert sich immer selbst – es soll ja auch „hintergründig-intellektuell“ sein. Ein halbnackter blonder Engel mit Beil mitten in Passau – das stellte sich Moderator Hannes Ringlstetter hübsch vor.

Noch viel provokanter hielt Friedemann Weise aus Köln als erste Nummer zappelig betrunken seine Dankesrede für den Gewinn. Soviel Frechheit siegt dann auch. Weise improvisierte gnadenlos und fledderte den Blonden Engel – nicht die feine Art, aber Zeichen für schnellen Zubiss. Unverschämt unterläuft Weise Kabarett-Gewohnheiten und attackiert den „Großen Kleinkunstschwindel“ (Programmtitel). Die Jury honorierte es mit dem großen Beil, aber wegen der Flucht empörter Zuschauer gab’s erstmals keine Zugabe des Gewinners. Schon ein Eklat.

 

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