"Die tote Stadt" im Nationaltheater: Mann mit düsteren Leidenschaften
Von Gesangsprofis kann man sich oft hübsche Formulierungen ablauschen. "Bei ihm sitzt der Kehlkopf zwischen den Ohren" urteilt die bekannte Mezzosopranistin in der Pause über Klaus Florian Vogt.
"Die tote Stadt": Vogts Stimme gewinnt an Klarheit
Dass sie damit ins Schwarze trifft, und da noch einmal genau in die Mitte, versteht jeder sofort, der dem Tenor nur eine Minute zuhört: Er führt die ohnehin zum Weißen tendierende Stimme durchgehend ganz weit vorn, gewissermaßen von der Kehle entfernt, wodurch sie große Klarheit gewinnt, aber nicht übermäßig viel Farbe ausbilden kann.
Der Protagonist lebt in einer morbiden Welt
Das ist also gar nicht negativ gemeint, und wenn Vogt die großen Partien von Richard Wagner singt, ist man für seine seltene Höhenstärke und Textverständlichkeit dankbar. Paul aber, der männliche Protagonist in Erich Wolfgang Korngolds vor 100 Jahren sensationell erfolgreichen Oper "Die tote Stadt", ist ein Mann mit so düsteren Leidenschaften, dass er in einem Hitchcock-Krimi verstören würde: Er ist ungut unsterblich in seine tote Frau Marie verliebt und zieht ihre lebenslustige, vor allem lebendige Doppelgängerin in seine morbide Welt hinein.
Für einen solchen Perversling ist Vogts Tenor ein paar Grade zu hell, und er führt ihn mit einer so keuschen Unbedarftheit, dass man bei geschlossenen Augen einen Knaben in kurzen Hosen vor sich sieht.
Die russische Sopranistin Elena Guseva hingegen verkörpert die Marietta mit starkem Timbre und schön dunkel lodernder Leidenschaft. So stellt sich auf der Bühne der Staatsoper in den Duettpassagen der frappierende Effekt ein, dass sie bei aller Weiblichkeit tiefer singt als er.
Auch im Dialog mit seiner Haushälterin Brigitta, so intensiv wie erdverbunden gesungen von Jennifer Johnston, scheint Vogt manchmal die Bodenhaftung zu verlieren - was zu der Weltverlorenheit dieser Figur wiederum nicht schlecht passt.
Dem Staatsorchester wird ordentlich eingeheizt
Allen Sängern würde es übrigens das Leben erleichtern, wenn Yoel Gamzou ihnen nicht so mit unbarmherzigen Hochdruck zusetzen würde. Auch dem Bayerischen Staatsorchester heizt er mit seinen zuckenden Bewegungen ordentlich ein: Die Einwürfe der Blechbläser ätzen sardonisch, hohe Streicher und Holzbläser werden fast in die Hysterie getrieben.
Dass man diese Partitur aber für Sänger auch durchlässiger halten kann, haben einige von Gamzous Kollegen schon demonstriert, etwa Kirill Petrenko in der Premiere von Simon Stones Inszenierung.
Wieder am 4., 7. und 10. Dezember im Nationaltheater. Karten online und unter Telefon 089/21851920. Einen Mitschnitt mit der Premierenbesetzung und Kirill Petrenko am Pult hat die Bayerische Staatsoper als DVD und Blu-ray herausgebracht.