Die Revue "Das Chamäleon: Wer ,ich’ sagt, lügt schonmal" von Jürgen Kuttner

Quaifizierter Quatsch: Jürgen Kuttner stellt im Marstall mit seiner neuen Revue die Frage nach dem Ich
Mathias Hejny |
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Der Schauspieler Arthur Klemt in Kuttners Revue.
Der Schauspieler Arthur Klemt in Kuttners Revue.

Qualifizierter Quatsch: Jürgen Kuttner stellt im Marstall mit seiner neuen Revue die Frage nach dem Ich

Theodor Wiesengrund Adorno ist der unfreiwillige Pate. Der Philosoph der Frankfurter Schule schrieb in seiner 1951 erschienenen „Minima Moralia“: „Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen“. Jürgen Kuttner räumt ein, dass er es gerne etwas griffiger hat. Sein Event über Identität und Selbsterkenntnis heißt deshalb „Das Chamäleon: Wer ,ich’ sagt, lügt schonmal“, wobei das erstaunlich wandlungsfähige Reptil wenig sympathisch in enge Nähe zu menschlichen Unzulänglichkeiten gerückt wird. In einem Artikel in „Brehms Tierleben“ ersetzt Kuttner das Wort „Chamäleon“ schlicht durch „Opportunist“.

Die Plaudertasche aus Berlin ist nicht nur Autor und Regisseur der Sause im Marstall, sondern auch der Conférencier, der schneller sprechen kann als die Zuschauer hören können. Das Geräusch im Ohr nach der Vorstellung sei kein Tinnitus, beruhigt er, sondern „wenn sie nach Hause gehen, haben sie noch eine halbe Stunde Text vor sich“. Das ist der mit Abstand beste Kuttner-Spruch des Abends. Ansonsten beeindruckt die „Diskursrevue“ mit ihrer lässigen Scheißegal-Haltung.

Auch den Diskurs verfolgt Kuttner ohne Bierernst. Mit viel Lust am Trash lässt er sich in seinem geschmacksfern golden glitzernden Anzug durch ein medienkritisches Kabarett mit unverbindlicher Publikumsbeschimpfung treiben, bei dem alles geht und nichts muss.

Ein wenig überraschend ist dann aber doch, die Schlagersängerin Juliane Werding an die Spitze der Philosophen-Charts zu stellen. Ob Kant, Heidegger, Horkheimer und sogar Descartes mit seinem „Ich denke, also bin ich“ – an allen sei sie mit dem Song „Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur, du denkst“ (anno 1975) vorbei gezogen.

Beim Tummeln in der Schnittmenge aus europäischer Aufklärung und deutscher Unterhaltung assistieren Genija Rykova, Gunther Eckes und Arthur Klemt. Die drei Resi-Schauspieler sind allerdings stark unterfordert, denn die meisten Auftritte sind mehr oder weniger amüsante Playbacknummern – ob als Schlagerpotpourri im Stil der 1950er-Jahre oder als sich etwas länglich dehnende Schlüsselszene aus dem US-Thriller „Fight Club“.

Das alles macht „Das Chamäleon“ zu einem nur maßvoll geglückten Abend, aber schon eingangs kündigt Kuttner an: „Wir machen keine Kunst. Wir machen qualifizierten Quatsch“. Auf diese Einschätzung kann man sich, vor allem im Hinblick auf die dräuende Faschingszeit, einigen.

Marstall, 31. Januar, 19 Uhr, Karten unter Telefon 21851940

 

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