Die Psyche allein entscheidet im Boxring
Stadt-Imker treffen auf wüsten Chicks-on-Speed-Punk-Pop und diskutieren, ob es zu viel Arbeit gibt. Klingt nach kreativen Vogelwilden? Ja, darum geht’s. Denn das „Festival of Independents – Munich/Now/Here“ will im Haus der Kunst vom 15. November bis 1. Dezember die freie Szene der Stadt zusammenbringen.
Der Eröffnungsabend am 15. November soll als Beispiel dienen, wie das funktioniert: Während die Party steigt (ab 19 Uhr), beobachten die Club-Performer von „What you see is what you get“ die Besucher: Als Sekretärinnen notieren sie, was los ist, egal ob offizielle Ansprache oder Nasebohren. Helfer setzen das wiederum performativ in Szene.
Während das unabhängige Volk am Sekt nippt und zum Sound von DJ Jay Scarlett wippt, hauen sich im Westflügel starke Männer vom undergroundigen Maxvorstädter „Boxwerk“ (20.30 Uhr und 22.30 Uhr) die Nase platt: „Bewegungsabläufe einstudiert, zusammengefügt und zu Serien und Kombinationen zusammengesetzt, ergeben ein Bild von Stärke und Leichtigkeit. Doch die Psyche ist letztendlich das entscheidende Element, wenn es zum Duell im Ring kommt“, sagt Boxwerk-Chef Nick Trachte über die Kunst des Boxens.
Eine Watschn gibt’s auch von G.Rag und den Landlergschwistern mit Schlachthofbronx (21 Uhr), wenn gentrifizierte Blasmusik und Clubsound aufeinander treffen. Das Festivalprogramm setzt sich aus drei Bausteinen zusammen. Zum ersten dem Veranstaltungsprogramm: Da gibt’s etwa ein Konzert von den F.S.K.-Avantgardisten (24. November, 20.30 Uhr), die sich 1990, zehn Jahre nach ihrer Gründung, sogar einen Schlagzeuger gegönnt haben und unabhängig von Musikindustrie und Publikumsgeschmack lärmen. Aber auch einen Workshop mit dem Kartoffelkombinat (17.11, 15 Uhr), einer Münchner Genossenschaft, die eine Gärtnerei gepachtet hat und so an frisches, saisonales Biogemüse kommt.
Natürlich ist auch das älteste unabhängige Theater Festival-Gast, 1947 hat das „Kleine Spiel“ noch eine Ruine in Schwabing bespielt. Mittlerweile spielen sie jeden Donnerstag in der Neureuther Straße 12 bei freiem Eintritt auf Spendenbasis. Im Haus der Kunst geben sie Bert Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ (29. 11, 20 Uhr).
Der zweite Festival-Baustein sind die Ausstellungen: Die bieten unterschiedlichen Stadtakteuren eine Plattform. Der Künstlerbuch-Verlag „Hammam und von Mier“ zeigt Buch-Editionen von jungen Künstlern und das Modelabel „A Kind of Guise“ hat für das Festival einen Fanschal designt. Reichlich süß geht’s bei den Stadtimkern zu. Im Sommer haben Bienen rund um das Haus der Kunst Honig gesammelt und der kann jetzt genascht werden. Arg skurril sind die ausgestellten Fundbüro-Stücke und ihre Geschichte wie die der geheimnisvollen roten High Heels. Die roten Schuhe wurden für eine Werbeaktion eines Alkoholhersteller gefertigt und in der Stadt verteilt. Passanten haben diese Schuhe aufgesammelt und ins Fundbüro gebracht, da sie dachten, dass eine Dame sie verloren habe. Insgesamt gibt es einen Sack voller roter – ausschließlich linker – Schuhe.
Auch Surfer Tao Schirrmacher stellt seine Stadtgeschichten aus. Es sind Objekte, die er seit 2009 dem Eisbach neben dem Haus der Kunst an der Prinzregentenstraße entrissen hat. Dritte Festival-Säule sind die Seminare zur Gegenwart: Die sollen die Ausstellungen und Veranstaltungen um Selbstreflexion ergänzen. In einem der Seminare untersucht der Philosoph und Politikwissenschaftler Michael Hirsch (16./23./30.11, 15 Uhr), was Arbeit ist und ob es zu viel oder zu wenig davon gibt. Das Programm arbeitet sich an der Stadt und ihren Unabhängigen ab, lädt aber vor allem dazu ein, sich treiben zu lassen: Vom Eisbach, zu den Sekretärinnen und weiter zum Rumms-Bumms-Avantgarde-Konzert.
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