Die Panzerwiese als Theater
Die Panzerwiese ist ungefähr 200 Hektar groß und liegt im Münchner Norden. Ganz plötzlich hört dort die Stadt, genauer gesagt der Stadtteil Milbertshofen, auf, die Bebauung endet, die freie Fläche beginnt. 1945 trafen hier deutsche und US-Truppen in einem der letzten Gefechte aufeinander, später wurde die Wiese für militärische Übungen genutzt, daher der Name: Panzerwiese.
In den 1990er Jahren wurde ein Teil bebaut, der größere Teil unter Naturschutz gestellt und ist heute Fauna-Flora-Habitat-Gebiet. Neben drachensteigenden Kindern und Schafen tummeln sich hier nämlich auch vom Aussterben bedrohte Pflanzen- und Tierarten, beispielsweise der Clusius-Enzian, die Wechselkröte oder die Ödlandschrecke.
Diese städtische Oase mit ihrer wechselhaften Geschichte hat das "Netzwerk Münchner Theatertexter:innen" (NMT) nun als Ausgangspunkt für ihr kollektives Schreibprojekt "Panzer Wiese" gewählt. Katrin Diehl, Jan Geiger, Denijen Pauljevi?, Theresa Seraphin und Rinus Silzle haben sehr unterschiedliche Texte geschrieben, die Verena Regensburger nun im Schwere Reiter inszeniert hat.
Im leeren Raum schweben weiße dreieckige Sonnen-Segel - man wähnt sich irgendwo zwischen Regatta und Kinderspielplatz. Die Natur, die Wiese soll in den Worten lebendig werden, nicht in der Optik, so wohl die Devise von Bühnen- und Kostümbildnerin Marie Häusner. Auch wenn das schön aussieht, kündigt sich hier schon ein bisschen das Manko dieses Abends an: Die offene Wiese wird zu einem leicht artifiziellen und hermetischen Kunstort. Einige der Texte und Szenen entfalten eine ganz eigene Schönheit und Komik, andere dagegen verhallen ziemlich wirkungslos im Raum.
Das Experiment, der Natur eine Stimme zu geben, ist sicher ein reizvolles. Nur: Bäume und Ödlandschrecken sagen halt nicht allzu viel. Diese Leerstelle füllen die einzelnen Szenen, die gar nicht den Anspruch haben, zu einem großen zu werden, auf sehr unterschiedliche Weise: Prosa-Texte folgen da auf dramatische Szenen und lyrische Klang-Experimente.
Noemi Clerc, Maj-Britt Klenke und Dieter Rita Scholl meditieren über Bäume und Wolken, über die Spuren der Panzer im Boden, Pollenallergien und andere Kämpfe. Sie fragen sich, wie sie über mögliche Blindgänger "huschen" könnten, ob Huschen ein Hudeln ist oder gar ein Pfuschen?
Alles wird irgendwie gleichwertig, vieles bleibt kryptisch und rätselhaft, der Schritt zum Esoterischen ist oft nur noch ein kleiner.
Einige Fragen aber, die an diesem 80-minütigen Abend auftauchen, bleiben einem aber im Kopf. Bezogen auf die Panzerwiese und die Natur an sich. "Will dieses Stück Landschaft überhaupt von uns begangen werden?", ist so eine Frage, wohl die zentrale. Es ist eben doch wieder der Mensch, der die Natur bedroht, ihr größter Feind ist. In einer der stärksten Szenen, die zugleich bedrohlich und absurd-komisch ist, wird Bambi von einem Panzer überrollt, wieder und wieder. Großartig, wie Dieter Rita Scholl als Bambi im schwarzen Glitzerstumpfhosen durch den Raum tänzelt.
Die Natur, die Panzerwiese, sie wäre ohne Menschen besser dran. Daran gibt es leider nichts zu rütteln.
Derzeit sind keine weiteren Vorstellungen geplant
- Themen: