Die Oper "Flight" sollte man nicht verpassen

Jonathan Doves „Flight“ mit der Opernklasse der Theaterakademie im Prinzregententheater
von  Robert Braunmüller / TV/Medien
Abflug in die neue Existenz: Die Studierenden der Bayerischen Theaterakademie und eine alte Do 28 in der Oper „Flight“.
Abflug in die neue Existenz: Die Studierenden der Bayerischen Theaterakademie und eine alte Do 28 in der Oper „Flight“. © Thomas Dashuber

Jonathan Doves „Flight“ mit der Opernklasse der Theaterakademie im Prinzregententheater

Die in Stofftiere verwandelten Passagiere quetschen sich durch eine Drehtüre am Münchner Flughafen. Sie rollen über die Laufbänder durch die Terminals, zeigen ihre Bordkarten und besteigen ein Flugzeug. Das stellt sich nach einem Schnitt allerdings als Lieferwagen eines mittelständischen Metzgereibetriebs heraus, das irgendwo einen oberbayerischen Feldweg hinunterfährt.

Das ist witziger als alles, was man zuletzt so an Videos im Theater gesehen hat. Die Figuren der Oper „Flight“ wollen durch den Urlaub oder einen neuen Job in der Ferne zu neuen Menschen werden. Natürlich vergeblich: Sie stranden in der Banalität, was die Comic-Tierkostüme treffend und zugleich komisch ausdrücken. Dass den Flugverkehr viel mit Fleisch- und Fischverarbeitung zu Dosenkonserven verbindet, hat ohnehin noch niemand bestritten.

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Mit Jonathan Doves Oper hat die Bayerische Theaterakademie einen echten Coup gelandet. Die Musik des 57-jährigen Briten klingt hell wie die leuchtenden Fragmente aus den „Four Sea Interludes“ von Benjamin Britten, die minimalistisch wiederholt und mit viel Schlagzeug-Effekten gesteigert werden. Da sind dann die Gang-Szenen aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ nicht fern.

Mit anderen Worten: „Flight“ ist eine moderne Oper, die reinen Herzens auch jenen empfohlen werden kann, die lieber ins Musical gehen.

Kovalik und sein Bühnenbildner Hermann Feuchter haben Gepäckcontainer und eine Sicherheitschleuse vom Erdinger Flughafen ausgeliehen. Der Clou ist eine alte Dornier Do 28 aus Oberschleißheim. Die startet und landet so imposant auf der Bühne des Prinzregententheater, dass man Angst um die Tragkraft des Schnürbodens bekommt. Wenn sie im Sturm dann Koffer abwirft, dreht die Musik auf wie in der „Alpensymphonie“ von Richard Strauss. Was keineswegs das Schlechteste an möglichem Effekt ist.

Das perfekte Schausfenster

Die Produktion stellt die hervorragenden Absolventen des Masterstudiengangs Musiktheater/Operngesang der Musikhochschule ins helle Schaufenster. Sie haben einiges zu bieten: Andromahi Raptis ist mit blendend leuchtendem Sopran als Controller zugleich Engel, Wetterhexe, Durchsagenstimme und Spiderwoman. Der Counter Jan Wouters trompetet eindrucksvoll als zwischen Inland und Ausland verloren gegangener Flüchtling. Ein emotional erkaltetes Ehepaar auf der Reise nach Minsk (Benedikt Eder, Pia Viola Buchert), zwei Urlauber (Stefan Sbonnik, Jan Wouters), eine Frau im besten Alter (Clara Corinna Scheurle) und diverse Nebenfiguren sind eher komisch angelegt. Sie werden bei einem (geträumten?) Absturz vom Controller wie im „Sommernachtstraum“ erotisch durcheinandergewürfelt, bis der Tod (mit mächtigem schwarzem Bass: Irakli Atanelishvili) die Verhältnisse neue sortiert.

Im goldenen Rahmen

Anders als in früheren Opernproduktionen der Theaterakademie bekommt man nicht den Eindruck, die Studierenden würden zu früh ins schwere Fach gedrängt. Das Münchner Rundfunkorchester legt unter seinem scheidenden Chefdirigenten und Alleskönner Ulf Schirmer auch in der zehnten Kooperation mit der Theaterakademie um alles einen opulenten Goldrahmen. Die Biennale und andere der hehren Avantgarde verpflichtete Institutionen dieser schönen Stadt haben uns bisher verschwiegen, dass es auch spaßorientierte moderne Opern gibt. Da muss man der Theaterakademie dankbar sein, dass dieser „Flight“ endlich glücklich in München gelandet ist.

Noch einmal am Dienstag, (21. 2.) und Samstag (25. 2.) um 19.30 Uhr im Prinzregententheater. Karten unter Telefon 2185 1970

 

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