Die Magie des Augenblicks

Am Sonntag sitzt man vor dem Computer in der ersten Reihe des Nationaltheaters: Die Staatsoper überträgt Puccinis „Turandot“ ins Internet und macht sich vom Fernsehen unabhängig
Robert Braunmüller |
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Am Sonntag sitzt man vor dem Computer in der ersten Reihe des Nationaltheaters: Die Staatsoper überträgt Puccinis „Turandot“ ins Internet und macht sich vom Fernsehen unabhängig

Bis zu 230.000 Menschen in 50 Ländern schalten ihren Computer ein, wenn die Staatsoper ins Internet überträgt. In dieser Saison werden Livestreams zu einer festen Einrichtung. Am Sonntag ist Puccinis „Turandot“ in der Inszenierung von La Fura dels Baus zu sehen – hoffentlich mit weniger Aussetzern als bei „Babylon“.

AZ: Herr Bachler, warum verschenken Sie Opern im Internet?
NIKOLAUS BACHLER: „Oper für alle“, das mittlerweile weit verbreitete Übertragen von Aufführungen nach draußen, hat unter meinem Vorgänger Peter Jonas begonnen. Alle machen es nach. Und das erzeugt bei mir die Lust, etwas Neues zu beginnen. Ein Livestream öffnet eine Tür nach draußen. Und ich bin sicher, dass wir auch da kopiert werden.

Aber echt ist doch nur die Aufführung.
Ich bin ein großer Freund der Aussage von Sergiu Celibidache, dass er lieber mit der Frau ins Bett gehe als mit ihrem Foto. Aus diesem Grund hat er keine Aufnahmen gemacht. DVDs sind zum Marketing-Instrument geworden. Ein Livestream bewahrt die Lebendigkeit des Abends, seine Einmaligkeit und die Unwiederholbarkeit, die Magie des Augenblicks.

Noch einmal: Was haben Sie davon, Opernaufführungen gratis zu zeigen?
Ob die Leute da nun zehn Minuten reinklicken oder die ganze Oper ansehen, ist mir egal. Dass es bei der „Götterdämmerung“ Zuschauer aus 50 Ländern gab, interessiert mich schon mehr. Wir haben nun nach einer Testphase mit der Linde Group einen Partner gefunden, der Staatsoper.tv finanziell unterstützt. In weiterer Folge ist der Einbau einer fixen Kameraanlage im Zuschauerraum geplant, die uns auch ermöglicht, unsere Inszenierungen für die tägliche Arbeit zu dokumentieren.

Man könnte trotzdem eine Bezahlschranke einführen.
Das fände ich öde. Wir sind ein gut finanziertes und gut subventioniertes staatliches Theater. Das muss sich leisten können, auch den Menschen, die einfach nur einmal dabei sein wollen, ein Angebot zu machen.

Die New Yorker Met überträgt erfolgreich in Kinos.
Ich finde es kolonialistisch, 30 Jahre alte und die neuen, noch älteren Inszenierungen weltweit in die Kinos zu verstreuen. Da gehen auch wieder nur die Leute hin, die sich ohnehin für Oper interessieren. Mit einem Livestream erreicht man andere User.

Schwingt da bei Ihnen Ärger über öffentlich-rechtliche Sender mit, die ihrem Kulturauftrag kaum nachkommen?
Ich bin im Rundfunkrat und bemerke den enormen Quotenkampf. In Wien gab es Fernsehübertragungen aus dem Burgtheater. Hinterher wurde immer über die geringe Resonanz geklagt. Ich habe keine Lust, von den Fernsehmachern wie ein Aussätziger behandelt zu werden. Diesen Frust brauche ich nicht. Bei einem Livestream sind wir selbstbestimmt.

Stört es Sie, wenn der Livestream als DVD auf gewissen Homepages verkauft wird?
Sobald man an die Öffentlichkeit geht, sei es mit reiner Radioübertragung, einer DVD oder einem Stream, kann man nicht zu 100 Prozent verhindern, dass es Raubkopien geben wird. Wir versuchen, gegen solche Strafhandlungen vorzugehen. Wenn da aber jemand im Keller unsere Aufführungen brennt und weiterverbreitet, ist das eher ein Beweis dafür, wie gut wir sind.

Sonntag 19 Uhr, auf der Homepage www.staatsoper.de

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