Die Kulturkümmerer
Fast 100 Jahre gibt es die Theatergemeinde. Mit ihren 25 000 Mitgliedern sei sie der zweitgrößte Münchner Verein, betont Michael Grill – „gleich nach dem FC Bayern“. Neben dem Programm für die kommende Spielzeit hat der neue Geschäftsführer des e. V. einen Stapel Flyer mit dem Slogan „Wir lieben Kultur“ vor sich liegen. Das ist nicht nur ein Bekenntnis, das schaut vor allem auch nach Auffrischung aus.
AZ: Herr Grill, heute geht man ins Internet oder bucht seine Karten über eine Hotline. Braucht’s da überhaupt noch eine Theatergemeinde?
MICHAEL GRILL: Man muss sich einfach davon lösen, dass die Theatergemeinde noch so zu funktionieren hat wie vor 30 oder 40 Jahren. Damals gab es die klare Aufgabe, Karten zu verteilen. Die Situation hat sich völlig verändert, aber möglicherweise ist eine Theatergemeinde heute sogar sinnvoller denn je. Denn viele Leute schätzen die Information, die persönliche Ansprache. Dazu gibt es die Tickets bei uns günstiger.
Was macht das aus?
Zwischen 10 und 20 Prozent. Und wir besorgen die Karten ja noch.
Dann wäre die Theatergemeinde doch auch ein Fall für Zeitgenossen, die keinen Nerv haben, sich selbst um ihr Kulturprogramm zu kümmern.
Gar kein schlechter Gedanke. Wir wenden uns ja an Leute, die nicht sämtliche Vorverkaufsstellen abklappern wollen. Aus Mangel an Zeit, was auch immer.
Die Menschen sind heute aber sehr wählerisch.
Auch darauf reagieren wir. Denn man kann sich aus einem Komplettprogramm des Münchner Kulturlebens bei geringem Aufwand das heraussuchen, was einem behagt.
Wer mal nicht mag oder keine Zeit hat?
Der muss auch nicht. Da ist man inzwischen sehr frei. Früher hat man eine Art Abonnement bestellt. Heute kann man gegen einen geringen Jahresbeitrag – 26 Euro – Mitglied werden und bekommt so die Berechtigung, Karten für die Veranstaltungen zu kaufen, auf die man Lust hat.
Wie schaut denn das Mitgliederspektrum aus?
Wir sind kein Jugendverein, das deckt sich naturgemäß mit den Theater- und Konzertgängern oder den Abonnenten einer Tageszeitung. Also 40 plus. Meistens sind das Leute, die im Beruf stehen, Familie haben, oft genug sind die Kinder aus dem Haus, und man hat wieder mehr Zeit und Lust auf Kultur. Es gibt aber auch einen Nachmittagsclub, der sich vor allem an Senioren richtet, die abends wieder zu Hause sein wollen. Auf der anderen Seite bieten wir genauso Abo-Reihen für den Nachwuchs.
Der Verein ist gemeinnützig...
... jedes Plus geht wieder in die Kulturarbeit, da passt das Finanzamt ziemlich gut auf.
Auf den neuen Flyern wird auch auf die Aufgabe der Kulturvermittlung verwiesen.
Das umfasst vieles: Wir geben unseren Mitgliedern Informationen an die Hand, die ihnen helfen, auch schwierige Stücke zu verstehen. Es gibt aber auch Theatergespräche – da treffen unsere Mitglieder auf Intendanten oder Schauspieler – oder Führungen hinter die Kulissen. Besonders attraktiv sind natürlich „Vorpremieren“. Hans Well zum Beispiel hat sein neues Soloprogramm erst einmal bei uns getestet.
Um die Mitglieder gut zu beraten, sollte man möglichst viel gesehen haben.
Wir besetzen alle Premieren durch den Vorstand oder Mitarbeiter der Geschäftsstelle. Intern findet dann ein sehr intensiver Austausch statt, also können wir unsere Mitglieder gut informieren.
Sie selbst sind auch Journalisten, inwiefern spielt das bei Beurteilungen eine Rolle?
Etwas plakativ gesagt: Journalisten sind kritische, wir sind freundliche Beobachter der Kulturszene. Wir halten mit unserer Meinung aber nicht hinterm Berg, lassen auch durchblicken, wenn ein Stück mal für die ganz komplizierten Denker ist. Oder eher für die Romantiker. Allerdings formulieren wir’s eben freundlicher, als das ein Kritiker tun würde. Unsere Aufgabe ist es ja, den Leuten deutlich zu machen, was für sie interessant ist.
TheaGe – Theatergemeinde München, Goethestraße 24, Geschäftsstelle: Mo bis Do, 8 bis 17, Fr 8.30 bis 15 Uhr, Telefon 53 297-111, www.TheaGe-Muenchen.de
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