Die Kantate "Davide penitente" in der Felsenreitschule
Mozart besaß in seiner besten Zeit ein Reitpferd. In seiner Geburtsstadt Salzburg steht die in den Felsen des Mönchsbergs gehauene Felsenreitschule. Sie dient als eine der drei großen Spielstätten der Festspiele, deren Haupt-Bühne sich in den ehemaligen Ställen der Fürsterzbischöfe eingenistet hat. Marc Minkowski, der künstlerische Leiter der Mozartwoche, brachte beides zusammen: Mozarts Musik und künstlerisch begabte Pferde.
Das passt nicht wie ein Handschuh, hat aber seinen Reiz. Minkowski setzte den Salzburger Bachchor und seine Musiciens du Louvre Grenoble in die steinernen Arkaden. Er dirigierte die Kantate „Davide penitente“, Mozarts eigene Umarbeitung des Kolossal-Fragments seiner Messe in c-moll. Diese Dreiviertelstunde ergänzte Minkowski mit ähnlich zeremoniös-strenger Musik wie dem Priestermarsch aus der „Zauberflöte“, dem wilden Adagio und Fuge c-moll, der „Maurerischen Trauermusik“ und dem Andante einer frühen Symphonie.
Vor den Arkaden ritten der Franzose Bartabas und seine Académie Équestre de Versailles in schwarzem Sand. Laut Programmheft traten 15 edle Lusitanos und argentinische Criollos auf. Sie trugen angemessen künstlerische Namen wie „Chagall“ oder „Uccello“ sowie poetische wie „l’Intrépide“ und „le Nerveux“. Der Meister, gekleidet in einen langen dunklen Reitmantel wie Zorro, begann mit einem herben Solo mit Elementen der Hohen Schule wie gravitätischem Schreiten oder Treten auf der Stelle zur „Maurerischen Trauermusik“. Dann begab er sich nach rechts und präsidierte zu Pferd dem Rest, mit gespannter Ruhe.
Über jeden Showverdacht erhaben
Zu den Chören ritt die ganze Truppe. Den Soli, Duetten und Terzetten der Kantate antworteten geschlechtergenau entsprechende Formationen zu Pferd. Gesungen wurde festspielmäßig. Die Sopranistin Christiane Karg und der Tenor Stanislaw des Barbeyrac betörten durch virtuose Klarheit, die Altistin Marianne Crebassa mit ungewöhnlich voluminöser und satter Stimme. Orchester und Chor verloren sich im Riesenraum nicht. Dass eher plakativ musiziert wurde, passte zu dieser ursprünglich für eine Kirche konzipierten Monumentalmusik mit ihrem rituellen Charakter.
Die Reitkunst fällt kaum unter die Kompetenz der Musik- und Theaterkritik. Aber sie war in diesem Fall dazu angetan, vorsichtigen Enthusiasmus auszulösen. Bartabas und seine Truppe scheint aber in ihrem hohen Ernst über jeden PferdeShow-Verdacht erhaben. Geritten wurde mit einer Mischung aus Strenge und Gelassenheit. Zu einem jubelnden Chor lösten die Reiterinnen ihre Haarbänder und kreisten mit den Tieren entfesselt-orgiastisch. Zu einer von vier Solo-Instrumenten begleiteten Bravourarie zeichnete eine Reiterin auf einem Schimmel strenge Kreise. Und einmal sangen die reitenden Schönen sogar mit.
Einmalig
Was bringt das alles? So viel, wie wenn jemand zu einer Mahler-Symphonie tanzt. Dass, wie bei allen Tieren auf der Bühne ein Moment des Unkontrollierbaren bleibt, erhöht das ästhetische Vergnügen ebenso wie die naturgemäß leicht auseinanderfallenden Rhythmen der Bewegung und der Musik.
Mozarts „Davide penitente“ als Pferdeballett ist kaum notwendig wie Wasser und Brot. Aber es bereichert wie alles Schöne das Leben. Wie die Verbindung eines edlen Weins mit einem guten Essen in einer schönen Umgebung und in Gesellschaft angenehmer Menschen. Ein Fest der Schönheit, auch angesichts der Salzburger Preise purer Luxus. Aber auch etwas Einmaliges. Genau das also, wozu Festspiele wie die Mozartwoche da sein sollten: ein Erlebnis zu bieten, das nur hier und jetzt möglich ist.
ORF 2 sendet am 8. Februar um 11 Uhr eine Aufzeichnung
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- Wolfgang Amadeus Mozart