"Die Herzogin von Chicago" kommt aus Budapest

MÜNCHEN - Doppelt preisgekrönt kommt diese singend flirtende Herzogin aus Chicago via Ungarn nach München getanzt: denn dass diese Produktion aus über 200 Premieren der ungarischen Saison zu den sieben Aufführungen gehörte, die als erste Musiktheaterproduktion überhaupt zum Theatertreffen in Pécs eingeladen wurden, war schon die eine Auszeichnung.
Dann tagte die Jury und sprach Johanna Bodor den Preis für die beste Choreographie zu – denn sie ließ ganz unterhaltsam Csárdás, fetzigen Stepptanz, Jazziges und Charleston aufeinanderprallen. Als dann gar noch ein fesch stolzes Männerherz und ein verwöhnt kesses Frauenherz erst gegen- und dann füreinander schlagen, da gelang Johanna Bodor eine unvergessliche Tanztheaterszene.
Auch vor knapp 100 Jahren galt die Operette schon als tot
Die Wiener Uraufführung 1928 war ein bestaunter Erfolg, denn Kálmán und sein Team hatten in der fast schon totgesagten Operette auf die neue Populärkultur mit Grammophon, Tonfilm und Radio reagiert. Dort war immer wieder die neue amerikanische Unterhaltungsmusik zu hören – was sollten da noch Walzer, Polka und Puszta-Klänge?
Diese Problematik personalisierten die Librettisten. Die verwöhnte Multimillionärstochter Mary kommt mit ihren Freundinnen des „Clubs exzentrischer junger Ladies“ nach Europa und über die üblichen Metropolen auch nach Budapest. Dort treffen sie auf den attraktiven, völlig verarmten Erbprinzen Sándor von Sylvarien.
Erst knallt es: Charleston gegen Csárdás, weibliches Selbstbewusstsein gegen patriarchalische Überheblichkeit, Liberalismus gegen Monarchie, geldiger Lifestyle gegen europäische Tradition. Hinzu kommt, dass die Ladies gewettet haben: eine Million für die, die das exzentrisch Unerreichbare doch kaufen kann.
Keck kauft Mary Sylvariens Erbschloss samt Land - und hofft, den feschen Erbprinzen gleich mit dazu zu bekommen. Zunächst wird sie, die gebürtige Tochter eines Chicagoer Wurstmillionärs, zur Herzogin geadelt, doch Sándor kommt hinter ihren doppelbödigen Kaufplan und verlässt beleidigt sowie gekränkt seine Heimat.
Musikalischer Kulturkampf
Die Konfliktlösung sei nicht verraten, nur so viel: Marys angereister Vater entdeckt in Sándors Mutter seine unsterbliche Jugendliebe von Einst. Beide wollen ihr ungelebtes Glück jeausleben und reden dementsprechend auf ihre Kinder ein.
Über Kálmáns ohnehin turbulent unterhaltsame Musik hinaus beleben auf der Bühne der Zigeuner-Primas Tibor Ökrös mit seinem Trio den musikalischen Kulturkampf zwischen „ungarischer Seele“ und fetzigem Chicago-Jazz, den der ebenfalls international renommierte Sopransaxophonist Bálint Bársony mit seiner Combo als Gegenpol intoniert.
Doch die beste Szene steuert Choreografin Johanna Bodor bei: Mary erklärt Sándor, dass bisher alle Männer sie enttäuschten, so wie damals ihr schwarz-weißer Puppenprinz - den sie im Traumlicht kindlicher Erinnerung lässig hinter der Sofa-Lehne hervorhebt und der nur Stroh enthält; so ging es weiter – und dazu holt Mary einen kostümgleichen Tänzer hinter der Lehne hoch, der mit scheinbaren Gummigelenken wie eine lebensgroße Männerpuppe gestreckt, gekrümmt, fallen gelassen und hingesetzt wird – artistisch atemberaubend, zurecht preisgekrönt, denn da wird tanzdramaturgisch Marys Männerbild fabelhaft sichtbar. Dass aber Sándor eben keine seelenlose Puppe ist, wird ab Mitwoch im Deutschen Theater zu erleben sein.
Deutsches Theater, Schwanthalerstraße 13, 6. bis 9. September, 19.30 Uhr, am Samstag, den 9. September auch um 15.30 Uhr, Karten von 25 bis 59 Euro unter Telefon (089) 55 234 444