Die "Frau ohne Schatten" von Richard Strauss neu besetzt im Nationaltheater
Die "Frau ohne Schatten" mit Robert Dean Smith und Ricarda Merbeth im Nationatheater. Nach der Vorstellung wurde Wolfgang Koch zum Kammersänger ernannt
Vielleicht ist Kirill Petrenkos Geheimnis, dass er die Einsätze stets mit so ansteckender Begeisterung gibt, als wolle er selbst kurz zu den jeweiligen Musikern hinüberfliegen, um sie anzufeuern.
Auf jeden Fall bietet das Bayerische Staatsorchester in dieser– endlich ungekürzten – „Frau ohne Schatten“ eine bedeutende Strauss-Interpretation. In den massiven Passagen fährt das Orchester ordentlich auf, es wirkt, etwa am Ende des 2. Akts, durch erdrückende Blechbläser richtiggehend bedrohlich, es kann sich jedoch im Nu auch ganz kammermusikalisch klein machen. Und Petrenko gelingt das Kunststück, die selbst für Strauss schwierige Musik in einem verblüffend leichten Fließen zu halten und dazu noch große Bögen über die einzelnen Akte zu spannen.
Angehörs dieser orchestralen Wunder ist es unfair, dass die Musik ihr in der Partitur verbrieftes Recht, die einzelnen Aufzüge effektvoll zu beginnen, an die Regie Krzysztof Warlikowskis abtreten muss. Noch vor dem Beginn des ersten Akts werden in dieser Produktion über allzu lange Minuten hinweg Ausschnitte aus Alain Resnais’ Film „Letztes Jahr in Marienbad“ gezeigt; vor dem zweiten Aufzug dann noch ein stilles Spiel. Diese außermusikalischen Medienwechsel lenken die Aufmerksamkeit von der Oper selbst ab, sie bleiben willkürlich und pointenlos, weil sie nicht nachvollziehbar erklärt werden, und sie können die Mängel in der Personenregie nicht ausgleichen. Hat Warlikowski dem eigentlichen Bühnengeschehen schon von vornherein nicht ganz vertraut?
Prima la musica!
Das wirkliche Drama findet da im Gesang statt. Das Ensemble ist prachtvoll. Wolfgang Koch verkörpert einen so lyrischen wie profunden Färber, der geradezu Sachs’sche Weisheit atmet. Dass Koch an diesem Abend der Titel des Bayerischen Kammersängers verliehen wird, ist hochverdient. Ihm steht in Elena Pankratova eine herrliche Färberin zur Seite, deren reicher Sopran in allen Registern weich strahlt und die auch in ihrem Spiel ein überraschend modernes Bild einer kraftvollen und unabhängigen Frau zeichnet.
Die Kaiserin Ricarda Merbeths ist spürbar dramatischer angelegt, ihre große Finalszene gerät atemberaubend dicht. Als ein heldischer Kaiser verleiht Robert Dean Smith seiner Partie größtmögliches Gewicht, während schließlich die Amme Deborah Polaskis geradezu zu einem zweiten Zentrum des Geschehens wird: Ihre stimmliche Beweglichkeit und textliche Präsenz machen klar, dass diese Amme selbst noch jung genug ist, um heimliche Sehnsucht nach dem Leben der Menschen zu haben. Von diesem Leben freilich findet sich in dieser Produktion mehr in der Musik als in der Inszenierung.
Wieder am 23.12 (17 Uhr) und 27. 12. (16 Uhr) im Nationaltheater