Die andalusische Show "Mi Carmen Flamenca"
Kaum eine Oper hat die Sicht auf einen ganzes Landstrich so bestimmt wie Bizets „Carmen“ nach der Novelle von Prosper Mérimée. Das mitteleuropäische Andalusienbild ist bis heute davon geprägt. Doch wo die Grenze zwischen dem farbenfrohen Klischee und der Wirklichkeit verläuft, haben auch berühmte Andalusienreisende wie Rilke nicht immer verstanden. Zu stark ist der Sog der Bilder von Stierkampf, Volksfesten und Flamenco.
Die 1989 für die Deutsche Oper in Berlin entwickelte „Mi Carmen Flamenca“ in der Choreographie von Manolo Marín war gewissermaßen die Rückeroberung des Stoffes. So sieht das auch Antonio Andrade, musikalischer Leiter und Produzent der nun in München gastierenden Show. Ursprünglich hat er diese für eine Chinatour wieder aus der Schublade geholt und komplett überarbeitet.
„Es ist schwierig, wenn man kein Gefühl für das Publikum hat“, sagt Andrade. „Die Chinesen waren begeistert, aber ich weiß nicht, ob sie es verstanden haben oder nicht.“ Erst seit die Show auch in Barcelona und vor allem in Andrades Heimat Málaga begeistert aufgenommen wurde, ist er sich sicher, dass „Mi Carmen Flamenca“ (übrigens gespielt von seiner Gattin), ein ganz hervorragende Kulturbotschafterin ist.
„Mérimée viel durch Andalusien gereist, hat ein wunderbares Werk geschrieben“, sagt Andrade, „aber natürlich hat er als Franzose manche Dinge nicht richtig verstanden. Die Idee unserer Carmen-Produktion ist ganz einfach: Sie erzählt die bekannte Geschichte aus andalusischer Sicht.“ Andrade, der schon mit André Heller zusammen gearbeitet hat, stellt mit 17 Künstlern eine Show auf die Beine, die die klassischen Carmen-Themen musikalisch neu interpretiert. Obwohl er in Malaga selbst eine Flamenco-Schule betreibt, um die Tradition zu pflegen, sieht er sich keineswegs als Purist. „Der Flamenco entwickelt sich immer weiter, wir benutzen heute auch andere Instrumente als vor fünfzig Jahren. Das ist eine offene Kultur.“
In Mitteleuropa mag vielleicht die Begeisterung wie sie Mérimée oder Rilke für den Stierkampf empfunden haben aus Tierschutzgründen abgeflaut sein. Aber er bleibt auch weiterhin Teil der andalusischen Kultur. Dieses Ballett auf Leben und Tod ist auch in der Aufführung stilisiert eine zentrale Tanznummer.
Um die andalusische Seele zu verstehen, so Andrade, genügt es aber auch einfach Frauen beim Einkaufen auf dem Markt zu beobachten. Diese tägliche Choreographie aus Blicken und Gesten ist ihm ebenso Inspirationsquelle für eine Carmen, die auch in Andalusien eine Frau ohne Alter ist.
Deutsches Theater, 17. Juni bis 20. Juni, 20 Uhr, Tickets ab 24 Euro unter 23 44 44