Der Teufel sorgt für Licht

Brigitte Hobmeier, Marc Benjamin und Max Simonischek in Gertrude Steins „Doktor Faustus lichterloh“ im Werkraum
Michael Stadler |
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Der Teufel ist wirklich ein Tüftler vor dem Herrn. Im Dunkeln stapft er auf der Bühne im Werkraum der Kammerspiele herum, fummelt hier und kruschtelt da, geht hörbar durch Sand stapfend hin zu einem Strahl aus Kabelsträngen, die wie ein starrer Wasserfall von oben nach unten hängen.

Abrupte elektrische Lichteffekte erschafft er: Wie ein Blitz fährt es durch die Kabel, Strobo-Momente und Sekundenbruchteile warmen Lichts erhellen den Raum, bis vor dem in seiner Parzelle wartenden Dr. Faustus eine einzelne poplige Glühbirne brennt. Damit hat Faust seine Seele verloren. Selbst hätte er es wohl besser gekonnt, weshalb er sich aufregt und sich wünscht, dass der Teufel zum Teufel geht.

Die Hobmeier als Frau in Weiß

Wer sich einen erhellenden Inhalt von einem „Stück“ der Galionsfrau der literarischen US-Moderne, Gertrude Stein, erhofft, ist bei „Doktor Faustus Lichterloh“ von 1938 natürlich fehl am Platz. Worte waren Stein sich selbst genügendes Material, Stoff und Sound und es wert, von Bedeutung befreit zu werden. Befreiend mag es auch sein, dieses Libretto (eigentlich plante Stein eine „Faust“-Oper) zu inszenieren, wenn nicht knifflig: Caitlin van der Maas nimmt den Titel der Kammerspiele-Reihe, in deren Rahmen der Regie-Nachwuchs experimentieren darf, wörtlich: Ein teuflisches „Laboratorium“ sieht man, und sie lässt viel Luft und Licht für ihre Schauspieler: Marc Benjamin als Faust, Max Simonischek als Mephisto und Brigitte Hobmeier als Frau in Weiß, die Marguerite Ida und Helena Annabel heißt und erstmal kaugummikauend den Steinschen Worten nachsinnt: „Ähm, ich bin ich“, dann Stein performt und eva-haft von einer Viper gebissen wird. Böser Sündenfall, auch der Worte?

Wortkunst und ganz schöner Schmarrn

Hinten tüftelt noch einer: Musiker Zoro Babel an rhythmischen wie schwebenden Klängen. Als Bub und Hund hockt Falckenberg-Schüler Lukas von der Lühe auf erhöhtem Steg und bewegt die Lippen zu Sätzen vom Band, eingesprochen von Walter Hess und drei Kindern. Der Hund sagt gerne „Dankschön“, eine wiederkehrende Pointe in einer Collage aus (aufgenommenen) Worten, Tönen, Performancepartikeln, die kurz mal ins Musical driftet und verblüffend oft nach Rap klingt.

Irgendwo gibt es Logik: Der Mond wird obsolet, weil das elektrische Licht da ist. Die Hunde können nicht mehr den Mond anbellen. Vielleicht erzählt Stein ja vornehmlich vom Verlust des Sinns der Worte und des Seins, von Stimmen, die draußen herumirren und doch eigentlich einem selbst gehören. Faust versündigt sich und wird höllentauglich, bleibt ein Loner nach siebzig irrlichternden Minuten zwischen Kurzweil und Langeweile, Wortkunst und ganz schönem Schmarrn.

Werkraum der Kammerspiele, nächste Aufführungen: 11. und 18.2., 8., 20. und 23.3.2014, Tel. 233 966 00

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