Der leicht gebremste Marathonmann der Oper

Plácido Domingo in Georg Friedrich Händels konzertantem „Tamerlano” bei den Salzburger Festspielen
von  Volker Boser

Plácido Domingo in Händels konzertantem „Tamerlano” bei den Salzburger Festspielen

Längst ist der 71-jährige Startenor im Rentenalter. Doch er kann es nicht lassen. Seine wunderbare Bühnenpräsenz beeindruckt noch immer. Sie half ihm auch im nicht ganz ausverkauften Großen Festspielhaus über manche Klippe hinweg.

Fast 40 Arien in nahezu vier Stunden, kleine Meisterwerke, zumeist virtuos und brillant, dazu bewegend ausdrucksstarke Rezitative: Dass die konzertante Aufführung von Händels „Tamerlano” bis zum Ende spannend blieb, war dennoch vor allem ein Verdienst des Dirigenten Mark Minkowski. Er animierte seine Musiciens du Louvre zu hinreißend lebendigem Musizieren. Der Inhalt, eher kurios als logisch, blieb Nebensache: Liebe, Verrat und ein geglückter Selbstmord im Umfeld des mongolischen Eroberers Tamerlano (Timur), der 1402 den türkischen Sultan Bajazet gefangen nahm, sind ohnehin nur Vorwand für dramatische Koloraturakrobatik und innig melancholische Traurigkeit.

Salzburg-Liebling Plácido Domingo konnte sich sicher sein, schon vorab den Löwenanteil des Publikumsinteresses für sich beansprucht zu haben. Als Bajazet und damit Gegenspieler Tamerlanos war er allerdings auf verlorenem Posten. Nachdem er Gift genommen hat, darf er in einem Sterbemonolog bewegenden Abschied nehmen, ein Höhepunkt der Oper, den er überaus glaubhaft gestaltete. Seine Legato-Kunst fasziniert noch immer. In den raschen Passagen ist die Stimme allerdings reichlich unbeweglich geworden.

Bejun Mehta (Tamerlano) war der einzige, der sich nicht krampfhaft an das Notenpult klammern musste. Er hat die Partie präsent. Die souveräne Lässigkeit, mit der er die Koloraturen klar und scharf präsentierte, war schlechthin phänomenal. Auch der zweite Countertenor, Franco Fagioli, im Stimmtimbre deutlich weicher als sein Kontrahent, zeigte als Andronico staunenswertes Stehvermögen.
Die Frauen litten unter männlicher Übermacht, zumal auch Michael Volle als Stichwortgeber Leone überaus markant auftrat. Weder die monotone Gleichförmigkeit Julia Lezhnevas (Asteria) noch die kühlen Mezzo- Künste Marianne Crebassas (Irene) gingen unter die Haut.

Wieder am 18. 8., 20.30 Uhr

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