Das reanimierte Ludwig-Musical
Dreimal schon baden gegangen! Jetzt wird ein neuer Versuch eine Kini-Musicals gewagt. Und es sieht diesmal gut aus für "Ludwig²" - dank eines Enthusiasten
Vor elf Jahren startete in Füssen bereits der zweite Versuch eines Märchenkönig-Musicals, der aber finanziell in die Knie ging. Jetzt hat Regisseur Benjamin Sahler mit unkonventionellen Methoden und unternehmensberaterischer Unterstützung „Ludwig²“ überarbeitet und zeigt die Neuauflage diesen Sommer wieder im Festspielhaus Füssen: eine wirkliche Abenteuergeschichte am Originalschauplatz – mit Happy End, wenn auch bekanntermaßen nicht für den König.
AZ: Herr Sahler, reitet Sie der Teufel, so ein Musicalprojekt noch einmal zu probieren?
BENJAMIN SAHLER: Anfangs war es vielleicht so. Aber Sie werden es nicht glauben: Es hat jetzt schon funktioniert.
Wie kam es zu diesem Glücksfall?
Ich habe den Texter, Herrn Rettberg, in Wittenberg bei einem Luther-Musical kennengelernt und er hat mir erzählt, dass für ihn Füssen so ein wichtiger Ort war für sein künstlerisches Leben. Ich bin dann hingefahren, hab mir das extra dafür erbaute Festspielhaus und ein Video von „Ludwig²“ angeschaut. Ich war begeistert.
Das waren ja die vorherigen Musical-Impressarios wie Stephan Barbarino oder die Macher von Konstantin Weckers Version auch.
Ja, aber je mehr ich geforscht habe, desto mehr Leute haben mir erzählt, wie wunderbar sie die Aufführungen von „Ludwig²“ erlebt haben. Das ging so weit, dass manche gesagt haben, dass dieses Musical fast eine heilende Wirkung auf ihre Seele gehabt habe. Das hat mich gerührt, und ich habe ein großes Fan-Potenzial gesehen. Aber es hat noch über vier Jahre gedauert, bis ich es anpacken konnte. Vieles war ja unklar.
Sie meinen die gesamte Finanz- und Rechtssituation?
Ja. Und man muss aufpassen: Begeisterung allein reicht nicht! Die Leute müssen auch wirklich hingehen. Und so haben wir eine moderne Finanzierungsform gewagt: Crowdfunding! Also viele Menschen versprechen eine kleine Summe, und wenn genügend zusammenkommt, wird es gemacht. Wir hatten uns im Oktober als Ziel 75 000 Euro gesetzt, um loszulegen. Wir wurden belächelt: „Sie sind hier nicht in München oder Hamburg, sondern in Schwaben!“ Aber es waren im November schon 100 000 Euro eingegangen und am Ende 165 000 Euro – das erfolgreichste Crowdfunding der europäischen Theatergeschichte! Das war ein echter Auftrag an mich und mein Team: Wagt es! Ich habe auch rührende Briefe bekommen, wo Leute gefragt haben, wie man das macht, dieses „Crowdfunding“, und was das auf Deutsch heißt. Wer zahlte, bekam als Gegenleistung Eintrittskarten im Wert von 100 Euro für 50 Euro. Und als der normale Ticketverkauf losging, hielt die Euphorie an.
Erst vor zwei Wochen ist aber die Festspielhaus-Betreiber-GmbH in die Insolvenz gegangen.
Was irrwitzigerweise unserem Projekt genutzt hat. Denn wir haben ja selbst das Theater nur gemietet. Und der sehr kompetente Insolvenzverwalter hat allen Wirrwarr beseitigt und will Einnahmen erzielen. Und wir können die Miete zahlen.
In das Theater gehen über 1300 Zuschauer. Sie haben der AZ im Herbst gesagt: „50-prozentige Auslastung und wir sind im wirtschaftlich rentablen Bereich!“
Das haben wir eben jetzt schon gut geschafft.
Wo haben Sie die Kostüme und Kulissen hergenommen?
Die waren noch in Privatbesitz und im Theater, sowohl vom ersten Musical von Stephan Barbarino und von „Ludwig²“, das seit 2005 aufgeführt wurde. Aber wir haben das Stück weiterentwickelt und alles eingebettet in ein neues Konzept.
Sie wollen die Figur Ludwigs stärker psychologisieren.
Es ist halt kein Kitsch oder nur „märchenhaft“, wie man sich das vielleicht vorstellt. Es geht darum, Ludwigs Weltsicht und Inneres zu zeigen: den Pazifismus, die Idee von der Kunst als Lebenssinn und sein Auflehnen gegen die Umstände und seine Zeit. Das alles hat bei ihm zu einer völligen Vereinsamung geführt. Er hat auch nie die Chance bekommen, einen Lebenspartner zu finden. Niemand konnte oder wollte seinen utopischen Gedanken folgen.
Das war seine Tragik.
Und so ist sein Leben eine Art Kreuzweg, dessen Stationen wir erlebbar machen, ganz nah bei Neuschwanstein, seinem Rückgriff auf die Träume der Kindheit. Dieses Schloss war seine Mauer gegen die Realität. Das alles musste zwangsläufig im Tode enden, ob jetzt Mord oder Suizid, spielt da gar keine entscheidende Rolle mehr.
Und wie sind Sie persönlich auf König Ludwig als Person gestoßen?
Ich selbst komme auch aus der Wagner-Welt, habe bei dem bekannten Regisseur Götz Friedrich studiert, der ja mehrmals den „Ring“ inszeniert hat. Und bei Wagner geht es immer um Sinnfindung und Erlösung, was heute vielleicht pathetisch klingt, aber Ludwig selbst immer gesucht hat: eine Befreiung von seinen irdischen Qualen.
Festspielhaus Füssen: „Ludwig² - Der König kommt zurück“, Premiere, Do, 11. August, Spielzeit bis 4. September, 39 - 97 Euro, www.muenchenticket, % 089 54 81 81 81. Vorstellungen (2 1/2 Stunden mit Pause) Di: 16 Uhr, Mi: 18.30 Uhr, Do: 19.30 Uhr, Fr: 20 Uhr, Sa / So: 15 und 20 Uhr
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- Konstantin Wecker