Das Familienmusical „The Wiz – Der Zauberer von Oz“
Der nette kleine Hund bricht den Bann: Er läuft quer über die Bühne, springt auf einen Stoffballen vor der Farm im amerikanischen Mittelwesten und lässt sich von Dorothy herzen. Dann wird das junge Mädchen mit Show-Ambitionen vom Tornado ins Land der Muchkins getragen, das optisch ein wenig an Oberösterreich gemahnt. Was kaum verwundert, weil nun bis 1. Juli das Landestheater Linz mit einem amerikanischen Musical im Deutschen Theater gastiert.
Und wieder erweist es sich: Unser schnitzelförmiges Nachbarland ist der eigentliche deutsche Broadway. Ehe sich eine leise Enttäuschung über das anfangs nur gesampelte Orchester breit macht, sitzen im Zauberland mit seinen rotkarierten Vorhängen auch schon acht lebendige richtige Musiker auf der Bühne. Sie spielen den ganzen Abend wie eine formidable Bigband auf, in den leeren Graben vor der Bühne springen dafür schon mal Affen und andere Fabelwesen, wenn sie einen schnellen Abgang brauchen.
Linz bringt's
Das Musical „The Wiz“ von Charlie Smalls (Musik) und William F. Brown (Buch) ist eine Bearbeitung des Kinderbuchs „Der Zauberer von Oz“. Mit einer Vogelscheuche, dem Blechmann und einem furchtsamen Löwen macht sich Dorothy auf die Suche nach dem Zauberer in der Smaragdstadt, der ihr zur Rückkehr in die Wirklichkeit verhelfen soll. Aber der Zauberer ist nur ein Scharlatan, der sich mit einem Heißluftballon aus dem Staub macht. Die zutiefst amerikanische Botschaft, dass es besser ist, sich selbst zu helfen und Freunde zu suchen, statt auf auf ein Wunder zu warten, zeigt die Aufführung unterhaltsam und unaufdringlich.
Die Inszenierung der Regisseurin und Choreografin Kim Duddy erzählt diese Geschichte mit flotten Tanzszenen und exzellenten Darstellern wie der charmanten Ariana Schirasi-Fard als Dorothy. Dass die Vogelscheuche vom Niederländer Rob Pelzer gespielt und gesungen wird, macht sich die Aufführung ebenso witzig zunutze wie die Besetzung des Blechmanns mit dem Oliver Liebl, der offenbar an einer Wiener Vorstadt-Tankstelle montiert wurde.
Die gefällige Musik im Gospel-, Blues-, Soul- und Motown-Stil geht bei einem Erwachsenen-Ohr hinein und beim anderen wieder hinaus. Sie stammt in ihrer Substanz aus den 1970er Jahren und wurde für Linz offenbar mit ein wenig Breakdance aufgefrischt. Aber sie tut ihren Zweck.
Musicals für Kinder - bitte nicht nur zur Weihnachtszeit
Das Deutsche Theater empfiehlt die Aufführung für Kinder ab acht. Für Viertklässler ist sie ideal, ein bisschen Englisch sollte man auch können. Aber auch ältere Geschwister und Erwachsene werden sich wegen des beträchtlichen Showbiz und der hübschen Effekte nicht langweilen: Die böse und wasserscheue Hexe Evillene (Jacqueline Braun) hat einen ferngesteuerten Thron, ihre freundliche Kollegin läuft mit alten Skistöcken herum.
Meine 12-jährige Begleitung gab der Aufführung eine „Eins minus“. Es war ihr dritter und bester „Zauberer von Oz“. Im Unterschied zu der einen oder anderen Tournee-Produktion, die jeden Cent ökonomisch umdrehen muss, schöpft diese Aufführung aus der Üppigkeit des deutschsprachigen Stadttheater-Ensemble-Systems: Da fegen halt nicht nur ein paar Tänzer als Windgeister oder Affen über die Bühne, sondern gleich eine doppelte Handvoll.
Und deshalb könnte sich die Zusammenarbeit des Deutschen Theaters mit den ambitionierten Musicalsparten von Bühnen wie Linz oder dem bald mit einem Bob Dylan-Musical gastierenden Theater Karlsruhe weiter bewähren. Das böse Wort „Provinz“ kommt einem an diesem unterhaltsamen Abend keine Sekunde in den Sinn. Und als Familienvater freut man sich, wenn auch außerhalb der Weihnachtszeit ein kindertaugliches Musical angeboten wird.
Bis 6. Juli, 19.30 Uhr, Sa und So auch nachmittags, 14.30 Uhr. Karten unter Telefon 55 23 44 44
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