Christoph Sieber: Böse schwäbische Bocksprünge

Christoph Sieber und sein aktuelles Kabarett-Programm „Alles ist nie genug“
Michael Stadler |
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Christoph Sieber und sein aktuelles Kabarett-Programm „Alles ist nie genug“

Die Weltliteratur kann sich glücklich schätzen, dass die digitale Revolution erst Ende des 20. Jahrhunderts damit anfing, unsere Gefühlswelt zu banalisieren. Was wäre denn mit Romeo und Julia heute, meint Christoph Sieber, da würde Romeo doch googeln, was mit Julias Familie, den Capulets los ist, um dann, stressvermeidend, mit ihr per SMS Schluss zu machen. Romantik, von wegen.

Aus den Folgen des technischen Fortschritts, der Automatisierung des Alltags schlägt Sieber einige Pointen in seinem aktuellen Programm „Alles ist nie genug“, was wohl auch mit der erhöhten Aufmerksamkeit des 43-jährigen Kabarettisten zu tun hat, der kein Digital Native ist, sondern sich noch gut an die alten Zeiten von Telefon mit Wählscheibe und Dia-Vorträgen mit vom Hausmeister hereingeschobener Leinwand erinnern kann. Wozu braucht man denn ein iPad, mit dem man auch unter Wasser Emails checken kann? Und ist es nicht unheimlich, wenn es jetzt Autos mit Müdigkeitserkennung gibt – am Ende fahren die ohne Besitzer weiter!

Ins Absurde denkt Sieber die Neuerungen weiter, wundert sich und vor allem regt er sich auf, über die Politik, über den Billigwahn, über die Bildungsmisere, und die Nostalgie ist nie weit: Ach, früher war das Fernsehen besser, besonders nachts, wenn einfach nichts mehr gesendet wurde. Bildschirm-Schnee, und der Schwabe fand’s schee. Aus der Verärgerung holt Sieber seinen Drive, um mitunter ruhig und moralisch zu werden. Würde wünscht er sich und mehr Wut, weshalb er stellvertretend für das Publikum in der Lach- und Schießgesellschaft Aggressionen abbaut und zum gemeinsamen Schrei auffordert. Therapie, ja danke.

Witzige Wiedererkennungseffekte erzielt Sieber besonders in der zweiten Hälfte, wenn er sich an den Sportunterricht von einst erinnert, wobei er nicht nur bei der Darstellung eines misslungenen Bocksprungs unter Beweis stellt, dass er sein Pantomime-Handwerk gelernt hat. Mehr thematische Geschlossenheit würde man sich noch wünschen, alles auf einmal ist eben nicht genug, aber was soll’s: Wenn ein Romeo von heute nach einem vielseitigen Kabarettisten googeln würde, der sogar mit Bällen und Worten gleichzeitig jonglieren kann, müsste er eigentlich bei Christoph Sieber landen.

Am Donnerstag tritt Christoph Sieber erstmals im Lustspielhaus auf, 20 Uhr, Tel.: 34 49 74

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