Christ und Antichrist: Schuberts "Lazarus" im Bergson

„Schubert ist so schön, da muss man schon mit dem Hammer draufhauen“, sagt Alexander Strauch. Der 53-jährige Münchner hat ein knapp halbstündiges Stück für drei Sprecher, Klaviere und Bläser geschrieben, das Franz Schuberts fragmentarisches Oratorium „Lazarus“ zu einer Opernperformance erweitert, die am kommenden Wochenende dreimal im Kunstkraftwerk Bergson zu sehen ist.
Lazarus wurde laut dem Johannesevangelium vier Tage nach seiner Beisetzung von Jesus wiedererweckt. Schubert betrauert diese biblische Gestalt mit schöner Musik, scheint aber am Auferstehungsjubel gescheitert zu sein, weshalb er das Oratorium 1820 unvollendet zur Seite legte.

„Schubert ist schön, Strauch ist das Kontrastprogramm“, sagt der Komponist. Auch sein Stück hat einen biblischen Hintergrund: Es basiert auf einem Monolog über den von Pilatus begnadigten Barrabas. Der sorgte vor seiner Festnahme zusammen mit Judas dafür, die Wunder Jesu zu organisieren und zu finanzieren. Als Freiheitskämpfer fand er den religiösen Aspekt allerdings eher abstoßend, nun verzweifelt er an dem ihm geschenkten Leben.
Linker als Bernie Sanders
So steht es jedenfalls in dem Text „The Blind“ des 1936 geborenen amerikanischen Schriftstellers und Orson-Welles-Biografen Richard France, der laut Strauch „erheblich linker ist als Bernie Sanders“. Lazarus kommt auch in diesem Text vor: Barrabas spottet, in Anlehnung an die zweifelnde Marta im Evangelium, über den Leichengeruch des Wiedererweckten.

Strauch beschreibt sein Stück als „große, krachende Improvisation“. Die durch über 200 Jahre getrennten Werke verhielten sich zueinander wie Christus und der Antichrist. Schuberts Oratoriumsfragment sei voller Querverweise auf die musikalische Zukunft. Dem habe er versucht, im Stil von Carl Orff heftig, laut und grell entgegenzuhalten.

Der Münchner hat vor vielen Jahren schon einmal für die Bayerische Theaterakademie komponiert: 1996 entstand seine Kammeroper „Narrow Rooms“ anlässlich der Eröffnung des Akademietheaters im rückwärtigen Teil des Prinzregententheaters. Auch danach blieb er mit seinen Werken dem Musiktheater treu. Strauch organisiert das aDevantgarde-Festival, leitet mit Mary Ellen Kitchens das queere Rainbow Sound Orchestra und ist außerdem einer der streitbaren Autoren des „Bad Blog of Musick“ der Neuen Musikzeitung.
Teure Karten
Dass er sein Werk für Sprecher und nicht für Sänger komponiert hat, ist ein weiterer Gegensatz zu Schubert. Weil die Inszenierung von Martina Veh die ehemalige Kesselhalle komplett bespielt, hat Strauch darauf geachtet, dass die Instrumentalisten auf die Schauspieler reagieren müssen, um die Koordination in dem großen Raum nicht unnötig zu verkomplizieren.
In die Proben für „Lazarus“ hat sich Strauch nicht eingemischt. Einerseits, weil er wegen einer Reise nach Korea und dem Besuch des Neue-Musik-Festivals von Donaueschingen ohnehin nicht in München war, sondern auch aus grundsätzlichen Erwägungen: „Mir geht es hervorragend dabei, mich nicht mit dem Produktionsteam zu streiten“, sagt der Komponist, und ohnehin habe er festgestellt, dass ihm offene Formate mehr lägen.

Wer sich für diese Veranstaltung der Bayerischen Theaterakademie interessiert, könnte über die hohen Preise staunen: Beim vergleichbar aufwendigen Musical „The Addams Family“ (ab 14. November) der Musicalklasse im Prinzregententheater kosten die teuersten Karten so viel wie das „Fair Price Ticket“ im Bergson. Dort verweist man darauf, dass es sich um einen wirtschaftlich kalkulierten Einheitspreis für alle musikalischen Veranstaltungen handle - ob Weltstar oder Studierende. Und es gäbe für Studierende ja auch ein „Social Price Ticket“ für 28 Euro.
Bergson Kunstkraftwerk in Aubing, Samstag, 25. Oktober, 19.30 Uhr, Sonntag, 26. Oktober, 15 und 19.30 Uhr, Karten von 28 bis 56 Euro über die Homepage bergson.com