Cecilia Bartoli in Leonard Bernsteins "West Side Story"

Audio von Carbonatix
Das Leid (mit) der doppelten Maria: Leonard Bernsteins „West Side Story“ bei den Salzburger Pfingstfestspielen
Beim nach dieser Premiere dringend benötigten Bier entstehen merkwürdige Gedanken. Was werden wohl die Pfingstfestspiele der nächsten Jahre bringen? 2017 kommt Händels „Ariodante“ das steht fest, doch danach? Vielleicht das „Phantom der Oper“ oder gar „Elisabeth“?
Natürlich ist dies eher unwahrscheinlich, doch wer hätte vor ein paar Jahren geglaubt, dass es einst die „West Side Story“ geben würde, mit Cecilia Bartoli als Maria? Im fünften Jahr ihrer Intendanz an der Salzach hat sich Bartoli einen Traum erfüllt und Leonard Bernsteins Musical-Klassiker auf den Spielplan gesetzt, inszeniert von einem hochprofessionellen Team, gespielt von einem genau gecasteten Ensemble und solide unterstützt von Gustavo Dudamels Simón Bolívar Orchester aus Venezuela.
Dudamel wählt für alle Nummern jeweils passende Tempi, durch elektronische Verstärkung tönt manches allerdings arg rumpelnd. Anfangs meint man, die Musik komme in der Felsenreitschule von oben, auch später bleibt einiges unausgewogen.
Verstärkt werden auch die Sänger, Norman Reinhardt gibt den liebestollen Tony mit starkem, etwas opernhaftem Gestus, exzellent Karen Olivo als Anita, die von der zunächst eher skeptischen Begleiterin Marias zur verständnisvollen Kollaborateurin wird. Michelle Veintimilla spielt und spricht Tonys unsterblich Geliebte wunderbar, als ebenso sinnlich luftiges wie verzweifeltes, geerdetes Wesen. Einmal darf sie auch kurz singen.
Ansonsten wird ihre Partie von Cecilia Bartoli interpretiert, die fast den ganzen Abend lang die Kämpfe der verfeindeten Jets und Sharks beobachtet und den Tod Tonys und ihres Bruders noch einmal durchlebt. Mit wuchtiger Stimme und nicht immer ganz präzise schmettert die Bartoli Bernsteins Smash-Hits – und bleibt doch immer vokaler wie szenischer Fremdkörper.
Die Edelstatistin
Die Idee, dass da eine ältere Frau auf ihr Leben zurückschaut, geht ja in Ordnung. Doch bräuchte es dann doch Regisseure wie Stefan Herheim oder Christof Loy, die wirkliches Erinnerungstheater inszenieren können, statt der in Salzburg gezeigten, bunten und temporeichen Revue – inklusive Edelstatistin.
Bartoli beherrscht exakt zwei Ausdrucksformen: rührseliges Schmachten und ängstliches Beobachten. Dabei ist sie doch ein genuines Bühnentier, dem man bisher eines wahrlich nicht vorwerfen konnte: mangelnde szenische Präsenz. Am Ende wirft sie (die ältere Maria) sich vor den Zug und trifft auf einem Gerüst in schwindelnder Höhe ihren (jungen) Tony wieder.
Abgesehen von diesem Kitsch-Finale und der grundsätzlich problematischen doppelten Maria, gelingt Regisseur Philip Wm. McKinley ein überwiegend überzeugendes Spektakel, das getreu der Vorlage im New York der 1950er Jahre spielt. George Tsypins Bühne besteht aus Graffiti- verzierten, beweglichen Wandelementen und erzeugt starke Wirkung. Sehr gelungen ist Liam Steels Choreographie, einerseits geht es derb und gewalttätig zur Sache, andererseits lässt Steel auch mal kämpferische Bewegungen fast in Umarmungen übergehen.
So bietet der Abend großes Theater, ausnahmsweise einmal nicht wegen, sondern trotz Cecilia Bartoli.
Wieder bei den Salzburger Festspielen im Sommer, 20., 21., 23., 25 und 29. August in der Felsenreitschule, derzeit ausverkauft, Infos unter www.salzburgerfestspiele.at
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