Bis zur letzten Sekunde

Der afghanische Musiker und Schauspieler Ahmad Shakib Pouya ist eigentlich ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Jetzt soll er abgeschoben werden.
Linda Zahlhaas |
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Mit anderen Flüchtlingen beim Bundespräsidenten.
Veranstalter Mit anderen Flüchtlingen beim Bundespräsidenten.

Wegen seines politischen und sozialen Engagement und bundesweiten Darbietungen, die ihn bis ins Schloss Bellevue zu Bundespräsident Joachim Gauck brachten, wurde Ahmad Shakib Pouya als der „Vorzeige-Flüchtling“ betitelt. Trotzdem steht ihm jetzt, nach sechs Jahren in Deutschland, die Abschiebung bevor. Im Interview mit der AZ spricht Pouya über seine aktuelle Situation, die Lage in Afghanistan und über sein wohl vorerst letztes Projekt in Deutschland: Die Flüchtlings-Oper „Zaide. Eine Flucht“ nach Mozarts gleichnamigem Fragment, die ab Mittwoch wieder in der Alten Kongresshalle auf der Theresienhöhe zu sehen ist.

AZ: Herr Pouya, wie ist Ihre aktuelle Situation?
AHMAD SHAKIB POUYA: Meine Ausreise konnte bis zum 15. Januar verschoben werden. So wie es jetzt aussieht, muss ich dann nach Afghanistan zurück.

Sie reisen dann freiwillig aus?
Obwohl mein Fall bei der Härtefallkommission vorliegt, sollte ich abgeschoben werden. Dann dürfte ich erst nach über dreißig Monaten wieder nach Deutschland einreisen. Deswegen reise ich lieber freiwillig aus, um dann früher zurückkommen zu können.

Ihre Situation hat sich verändert, weil Afghanistan jetzt als sicheres Herkunftsland betrachtet wird. Was haben Sie gedacht, als Sie von diesem Beschluss der Bundesregierung erfahren haben?
Wenn der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sich nur mit einer Schutzweste in Afghanistan bewegt und die Deutsche Botschaft in Afghanistan oder das Auswärtige Amt sagen, es wäre für Deutsche verboten, nach Afghanistan einzureisen, weil das Land nicht sicher sei – wie kann es sein, dass Afghanistan für Deutsche unsicher ist und für Afghanen sicher? Die afghanische Regierung hat durch den Deal mit Deutschland Geld bekommen. Es scheint, als wäre ihnen egal was mit den Flüchtlingen dann passiert.

Kennen Sie Menschen, die wieder nach Afghanistan abgeschoben wurden?
Zwei meiner besten Freunde aus Augsburg wurden abgeschoben. In den afghanischen Medien kam es auch so rüber, als würde Deutschland nur Kriminelle nach Afghanistan zurückbringen. In Afghanistan bist du als Abgeschobener, dann als Krimineller abgestempelt. Man hört in den deutschen Medien seit dem Flüchtlingsdeal zwischen Deutschland und Afghanistan viel weniger über die Situation in Afghanistan. Das öffentliche Mitgefühl mit Afghanistan ist viel weniger geworden.

In Ihrer jetzigen Situation bekommen Sie mehr Aufmerksamkeit als andere Flüchtlinge, denen es vielleicht genauso ergeht. Sie sind so fast zu einer Symbolfigur geworden. Warum Sie?
Durch meine Projekte habe ich mit den unterschiedlichsten Leuten zusammengearbeitet, die mich jetzt unterstützen. Man muss am Beispiel einer Person zeigen, was möglich ist. Oder, gerade in meinem Fall, was auch unter größter Anstrengung anscheinend nicht möglich ist. Ich habe viele Freunde, deren Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist. Sie haben Angst und sagen, ich hätte so viele Sachen gemacht und trotzdem würde Deutschland so mit mir umgehen. Was macht es dann erst mit ihnen?

Wie kamen Sie zu der Opernproduktion „Zaide. Eine Flucht“ nach Mozart?
Auf einer Demo in München habe ich Cornelia Lanz kennengelernt. Sie ist die Gründerin der „Zuflucht Kultur e.V.“, ausgebildete Opernsängerin und singt in dem Stück die Zaide. Die Oper ist für mich etwas sehr besonderes, weil es das in Afghanistan nicht gibt. Menschen, die auf der Flucht waren, eine Stimme zu geben, ist die Idee dieser Oper.

Welche Rolle spielen Sie im Stück?
Ich spiele Gomatz, einer der Hauptrollen und den Geliebten von Zaide. Ich bin in dem Stück am Anfang der Erste und am Schluss der Letzte auf der Bühne. In der letzten Strophe singe ich, dass ich abgeschoben werde. Die Geschehnisse im letzten Jahr haben das Stück durch meine jetzt bevorstehende Abschiebung eingeholt.

Die zentrale Frage des Stückes ist auch, ob wir in Deutschland den Geflüchteten ein Gefühl der Gastfreundschaft geben, so wie wir es uns im Fall der Flucht in ein anderes Land wünschen würden. Wie haben Sie Deutschland in den sechs Jahren, die Sie hier sind, erlebt?
Weil Ich keine Arbeitserlaubnis bekommen habe, habe ich ehrenamtlich gearbeitet. Ich habe in einem kleinen Café angefangen Musik zu spielen. Später habe ich vor dreitausend Menschen und vor dem Bundespräsidenten Joachim Gauck in Berlin gespielt. Ich habe unbezahlt als Dolmetscher in Behörden und Gerichten gearbeitet, ich habe mit minderjährigen Flüchtlingen gearbeitet, ihnen das Leben in Deutschland erklärt. Unterschiedliche Medien haben über mich, als Musterbeispiel für Integration, berichtet. Ich war in Fernseh-Talkshows wie bei Markus Lanz. Das alles zeigt, was ein Flüchtling, ein Mensch, hier in Deutschland schaffen kann. Doch Deutschland hat für mich gar nichts gemacht. Das einzige was ich hatte, war ein Duldungs-Status, der alle drei Monate verlängert werden musste. Ich habe mit Politikern wie Herrn Gauck gesprochen, in der Hoffnung etwas ändern zu können. Aber das hat alles nichts geändert. Trotzdem versuche ich bis zur letzten Sekunde mein Bestes zu geben, weil ich beweisen möchte, dass ich integriert bin.

Wann haben Sie begonnen, Musik zu machen?
Mit 13 Jahren. Ich habe auch in Afghanistan Musik gemacht. Ein freies Theater ist dort, wegen den Islamisten, nicht möglich. Als ich nach Europa gekommen bin, konnte ich auch mit Frauen auf der Bühne stehen. Das ist in Afghanistan verboten.

Warum ist ein freies Theater in Afghanistan nicht erlaubt?
Die Realität kritisch im Theater darzustellen, ist nicht möglich. Schauspieler in Afghanistan haben auch für diese Art von Theater gekämpft, aber das Problem ist, dass auch dort die Taliban aktiv sind. Für einen Künstler sind die Regierung, die Taliban und der IS ein Problem. Als ich dachte, dass ich in Deutschland bleiben könnte, habe ich über alles, was ich nicht gut finde, gesungen: Gegen die Terroristen, gegen den IS, gegen die Taliban und auch gegen die Regierung. Die Lieder sind in den Sozialen Medien gelöscht, aber sie sind jetzt in der afghanischen Presse und im Fernsehen.

Was singen Sie in den Liedern?
Ich habe gesungen, dass die Definition von Religion der Taliban und des IS keine Religion wäre, sondern nur Hass. Wenn du so etwas sagst, dann töten sie dich in Afghanistan. Auch normale Leute sagen zu mir, dass der IS und die Taliban Muslime wären wie wir, warum ich sagen würde, dass das Hass wäre? Ob ich gegen den Islam sei? Das bringt mich in Gefahr, deswegen habe ich so große Angst, dass etwas am Flughafen in Afghanistan mit mir passiert. Mein Wunsch ist es, dass Deutschland zwischen Flüchtlingen in Not, Flüchtlingen die freiwillig ausreisen möchten und kriminellen Flüchtlingen unterscheidet.


"Zaide. Eine Flucht“ in der Alten Kongresshalle (am Verkehrszentrum des Deutschen Museums) , 11., 13. und 14. Januar, 19 Uhr, Karten von 19 bis 52 Euro (ermäßigt 9 Euro) bei münchenticket

 

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