Besessenheit und Jagd: "Das Versprechen" nach Dürrenmatt

Schauburg: Dürrenmatts Krimi „Das Versprechen“ als radikal gelungenes Theaterstück
von  Mathias Hejny

Heinz Rühmann erscheine ihm zu bürgerlich für die Rolle des Kriminalkommissars Matthäi, klagte Friedrich Dürrenmatt damals. Der Film „Es geschah am hellichten Tag“ aus dem Jahr 1958 ist ein Schweizer Qualitätsprodukt, bei dem ein Kriminalbeamter, der den Eltern eines Mordopfers Aufklärung versprach, den Kindermörder Albert Schrott - großartig gespielt von Gert Fröbe als von Frauen unterdrücktes Riesenbaby – kurz vor einer neuen Untat überführen kann.

Filmvorarbeit von Rühmann und Nicholson

Unzufrieden mit der Umsetzung seines Drehbuchs arbeitete Dürrenmatt den Stoff zum Roman um: „Das Versprechen“ ist ein „Requiem auf den Kriminalroman“, denn die von Zufällen und menschlichen Unzulänglichkeiten bestimmte Realität entziehe sich der Logik eines Ermittelnden. Jack Nicholson, einer der ganz großen Spezialisten für obsessive Persönlichkeiten, spielte den als verwahrlosten Tankwart endenden Cop in der Romanverfilmung von 2001 wohl eher so, wie sich sein Erfinder ihn vorgestellt hat.
Eine Tankstelle ist auch der Schauplatz der Theaterinszenierung von Florian Fischer. Ausstatterin Susanne Scheerer beließ sie aber als unfertigen Ort zwischen Probebühne und verlassener Baustelle. Fischer, der seine Bühnenfassung selbst aus der literarischen Vorlage destillierte, war erst kürzlich mit seiner Abschlussarbeit an der Otto-Falckenberg-Schule als ein Regisseur für die ganz besonderen Fälle zwischen Juristerei und Psychiatrie aufgefallen. Sein „Der Fall M.“, mit dem er den Justizskandal um Gustl Mollath beleuchtete, wurde im März vergangenen Jahres von der AZ wegen seiner „komplexen Nachdenklichkeit“ als „bemerkenswerte Empfehlung“ gelobt.

Die Grenzen den Jugendtheater sind hier ausgereizt

Mit Dürrenmatts „Versprechen“ verschiebt er in der Schauburg die Grenzen des Jugendtheaters (ab 15) fast schmerzhaft. Die zielorientierte Pädagogik, die vor sechs Jahrzehnten den Kinokrimi beseelte, ist unter postdramatischer Unübersichtlichkeit und postexpressionistischem Chaos verschüttet. Zum Glück, möchte man fast meinen, denn diese Choreografien des Schreckens, der Wut und der völligen Hilflosigkeit gegenüber sexuellem Missbrauch von Kindern versucht nicht einmal im Ansatz, einfache Lösungen zu finden und Ratgebertaugliches zu formulieren.

So mutig muss Theater sein

Die Polizei wirkt wie ein „Tatort“-Kommissariat auf Koks. Und die Psychiaterin (Regina Speiseder) versteigt sich in der Behauptung, dass jeder Pädophile, der Kinder nicht schände, ein „wahrer Held“ sei. Für subtile Figurenzeichnung bleibt wenig Raum, aber Nicholas Reinke als Kommissar Matthäi und Peter Wolter als Albert Schrott zeigen eine sehr körperliche Schauspielerei, die ganz allmählich ein Gespür erzeugt für Ungesagtes und Unsagbares. Das ist starker Tobak, ein mutiges Stück Theater.    

Schauburg, morgen und 4., 5., 7. Februar, 14., 17., 18. März, 19.30 Uhr, Sa, 20 Uhr,  Tel:  23 33 71 55

 

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