Interview

Angelin Preljocaj über "Le Parc"

Das Bayerische Staatsballett tanzt die Choreografie aus dem Jahr 1994 im Nationaltheater
Vesna Mlakar |
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Der französische Choreograf Angelin Preljocaj.
imago/CTK Photo 4 Der französische Choreograf Angelin Preljocaj.
Das Staatsballett tanzt "Le Parc" im Nationaltheater.
Nicholas MacKay 4 Das Staatsballett tanzt "Le Parc" im Nationaltheater.
"Le Parc" im Nationaltheater.
Nicholas MacKay 4 "Le Parc" im Nationaltheater.
"Le Parc" im Nationaltheater.
Nicholas MacKay 4 "Le Parc" im Nationaltheater.

Als erste Premiere der Saison zeigt das Bayerische Staatsballett das Ballett "Le Parc" zur Musik von Mozart. Die Choreografie entstand 1994 für das Ballett der Opéra de Paris mit Isabelle Guérin und Laurent Hilaire in den Hauptrollen. Sie spielt mit Elementen sowohl aus dem klassischen als auch dem zeitgenössischen Ballett, was den Tänzer:innen äußerste Präzision abfordert.

AZ: Herr Preljocaj, "Le Parc" war 1994 Ihre erste Ballettkreation für die Pariser Oper. Hätten Sie damals auf einen so langlebigen Erfolg gewettet?

ANGELIN PRELJOCAJ: Nein - diese Vision hat man nie. Wir Choreografen denken einfach darüber nach, etwas zu erschaffen, das einen Sinn ergibt, lebendig ist, gut konstruiert und fähig, die choreografische Struktur sowie die Emotionen aller Interpreten zu vermitteln. Ein ausreichend strukturiertes Gerüst bedeutet für uns, etwas zu haben, in dem man leben kann - als ob wir den Tänzern einen Ort zum Leben geben würden und sagen: "Schaut, hier ist das Haus, es hat einen Flur, hier ein Zimmer, dort den Salon, die Küche - und nun geht durch diese Räume und erfüllt sie mit Leben." Dass die Tänzer in diesem Ballett auftreten und etwas erleben, möchte ich in "Le Parc" sehen. Wie sie das umsetzten, ist jedes Mal anders. Aber die Architektur bleibt stets gleich.

Sie nehmen damit die Antwort auf meine Frage vorweg, wie sich ein Werk von einer Tänzergeneration zur nächsten weiterentwickelt.

Jede Generation bringt etwas Neues ein - und das bereichert das Stück von Mal zu Mal. Nach bald 30 Jahren habe ich den Eindruck, die verschiedenen Neuaufnahmen und Interpretationen haben diesem Ballett mehr Tiefe verliehen.

Was zeichnet "Le Parc" aus?

Es wurde für die Pariser Nationaloper geschaffen und damit für eine ursprünglich von Ludwig XIV. ins Leben gerufene Ballettkompanie. Das hat mich sofort in frühere Zeiten zurückversetzt. Ich dachte an literarische Werke wie "Die Prinzessin von Clèves", "Gefährliche Liebschaften" und all die Tänze bei Hof, die Intrigen, Wüstlinge und Freigeister. Mit all dem habe ich dann gespielt. Wenn ich in eine Kompanie komme, versuche ich immer zu verstehen, wer diese Menschen sind, die vor mir stehen. Denn ich möchte etwas mit ihnen erschaffen. Ich beobachte und studiere, woher sie kommen, was ihre Geschichte ist - manchmal inspiriert es mich. Und genau das ist damals passiert.

"Le Parc" spielt im Zeitalter des "Esprit". Wie lässt sich so etwas in Tanz übertragen?

Ich habe viel über den französischen Garten nachgedacht - deshalb auch diese Grundstruktur. Geformt nach strengen Regeln - weder englisch, noch japanisch - ist er sehr formalisiert und mathematisch. Das Interessante ist der Stellenwert der Gärtner im Ballett. Sie sind da, um eine junge Frau auf dem Weg zu ihren Gefühlen zu leiten und ihr zu helfen, durch diesen Garten zu gehen, damit sie die Liebe findet.

Einerseits sind die Mittel hier sehr reduziert, andererseits die Kostüme im Stil des Rokoko sehr üppig. Zwischen abstrakt und Handlungsballett - wo würden sie "Le Parc" verorten?

In meiner Arbeit finden sich sehr Abstraktes und Elemente des narrativen Tanzes. An der Abstraktion muss ich aber stets arbeiten, denn bei Ballett mag ich nicht, wenn etwas pantomimisch darstellt wird. Ich will Dinge nicht durch Zeichen erzählen, sondern dass der Körper diese ausspricht. Die Abstraktion liegt in der Form, durch die letztlich Bedeutung erzeugt wird. Es muss ein Eindruck entstehen, der etwas transportiert. Die Bewegungen sind also abstrakt, was sie jedoch vermitteln, muss durch die choreografische Struktur verständlich werden.

Wird in München etwas anders sein als in Paris?

Na klar. Da sind schon mal die Interpreten, die nicht dieselben sind. Das Ensemble hier ist untereinander unglaublich eng verbunden. Die Gruppenatmosphäre ist sehr gut, und auf der Bühne herrscht echter Zusammenhalt - fast wie bei einer verschworenen Gemeinschaft.

Hat sich Ihre Sicht auf das Stück über die Jahre hin verändert?

Nein. Als mein erster Zuschauer wollte etwas machen, das mir gefällt. Wenn ich es mir wieder ansehe, überprüfe ich, ob es mich immer noch anspricht. Und das tut es tatsächlich. Natürlich gibt es immer Stellen, die mir nicht gefallen, weil sie in der Ausführung noch nicht genug ausgefeilt sind.

Änderungen kommen für Sie nicht in Frage?

Die Choreografie will ich keinesfalls ändern. Das wäre eine Falle. Alles, was man macht, hängt mit der Zeit zusammen, in der man es tut. Ändert man daran alle paar Jahre etwas, um quasi mit der Mode zu gehen, versteht irgendwann niemand mehr, was da passiert. Marcel Duchamp sagte: "Die Kunst einer Epoche ist nicht der Geschmack dieser Epoche." Belässt man ein Stück wie es ist, bleibt es datierbar - wie die Musik von Mozart. Allerdings verändere ich auch deshalb nichts, weil ich sehr faul bin (lacht). Ich bevorzuge es zu versuchen, mit dem Vorhandenen so weit wie möglich zu kommen.

Die männliche Hauptrolle wurde bei der Uraufführung von Laurent Hilaire kreiert. Wie ist es, ihm nun als Chef des Bayerisches Staatsballetts wieder zu begegnen?

Großartig. Fast 30 Jahre später treffen meine Assistentin Naomi Perlov - sie war damals auch dabei - und wir uns in München wieder. Blicken wir zurück, hätte keiner je an diese Möglichkeit gedacht - oder daran, dass wir genau diese Produktion, die wir damals gemeinsam erarbeitet haben, nun neu einstudieren. Es ist sehr bewegend.

Premiere am 25. November. Weitere Vorstellungen am 1., 9., 10., 22.12. Karten über die Homepage des Staatsballetts und unter (089) 2185 1920

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