„Anderthalb Stunden zu spät“ mit Herbert Herrmann und Nora von Collande

„Anderthalb Stunden zu spät“ mit Herbert Herrmann und Nora von Collande in der Komödie im Bayerischen Hof
Mathias Hejny |
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Herbert Herrmann und Nora von Collande in der französischen Komödie „Anderthalb Stunden zu spät“.
Thomas Grünholz Herbert Herrmann und Nora von Collande in der französischen Komödie „Anderthalb Stunden zu spät“.

Ob sich die Chalmets darüber freuen, dass sich Laurence und Pierre mit anderthalbstündiger Verspätung doch noch zum Abendessen einfinden, ist nicht überliefert. Wenn das Paar endlich aufbricht, fällt der Vorhang. Die anderthalb Stunden brauchten Laurence und Pierre, um sich in ihrem neuen Leben zu orientieren. Das jüngste der drei Kinder ist ausgezogen, seit Kurzem sind sie Oma und Opa und der Anlass für das Dinner bei den Chalmets war, Pierres Rückzug aus seiner Steueranwaltskanzlei und den damit dräuenden Ruhestand zu feiern.

„Anderthalb Stunden zu spät“ ist Theater in Echtzeit. Er steht bereits seit Längerem im Mantel herum, aber sie will nicht essen, sondern reden. Ihre gemeinsame Zukunft als vergreisende Senioren macht sie panisch. Wenn die Inszenieriung von Herbert Herrmann in der Komödie im Bayerischen Hof dennoch knapp zwei Stunden dauert, hängt das mit einer Pause zusammen, die der Autor nicht vorsah. Gérard Sibleyras ist ein Dramatiker in der Tradition von Yasmina Reza, die dem gehobenen Bürgertum die Designerklamotten herunterreißt, um den vorzivilisatorischen Kern sichtbar zu machen.

Chaos in der Wohnung

In diesem Fall sind es die hobbymalende Laurence und der Jurist Pierre, die ihre schicke Wohnung verwüsten. Viel Porzellan und Glas zerbrechen, Regale stürzen um und die Trümmer werden angerichtet in einem Sumpf aus Rotwein und Mayonnaise. Der kultivierte Herbert Herrmann mag so weit nicht gehen. Höhepunkt der Zimmerschlacht ist, wenn der von ihm selbst gespielte Pierre den Inhalt einer Ketchup-Flasche auf die gerade grundierte Leinwand tropfen lässt wie einst Jackson Pollock seine Farbe.

Das Fiese und das Niederträchtige, das in den pointierten Dialogen durchaus zu finden wäre, blendet Herrmann in seiner Inszenierung im elegant modernen Ambiente, das Bühnenbildnerin Anja Wegener entwarf, weitgehend aus. Es bleibt ein Ehekrach zum Wohlfühlen und dank der beiden Darsteller ein starker Komödienabend. Herrmann und Nora von Collande – auch im richtigen Leben sind sie Partner – wühlen sich erfrischend quirlig, mit fast jugendlichem Ungestüm und präzisem Handwerk beim Pointensetzen durch das Dickicht ehelichen Älterwerdens.     

Komödie im Bayerischen Hof, bis 14. Mai, 20 Uhr, Telefon 29161633

 

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