"Achill unter den Mädchen" im Prinzregententheater: Gips und Tangoblut
Zuerst zieht das Bällebad über dem halben Orchestergraben den Blick auf sich. Spaß mit jüngeren Menschen ist also angesagt, nicht ganz so lustig wie eine Schaumparty - aber immerhin. Wer möchte sich von frischer Jugendlichkeit nicht anstecken lassen, gerade wenn eine moderne Oper auf dem Programm steht?
Natürlicher Timbre und viel Geschmack
Was Jugendlichkeit angeht, bietet "Achill unter den Mädchen" im Prinzregententheater das maximale Vergnügen. Denn der Studiengang Musiktheater/Operngesang der Hochschule für Musik und Theater bringt offenbar hervorragenden Bühnennachwuchs hervor. Das gilt vor allem für den Countertenor. Elmar Hauser singt die Hauptrolle mit einem hellen, natürlichen Timbre und viel Geschmack. Es ist erstaunlich, wie sich dieses Fach in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat. Klara Brockhaus und Henrike Legner lassen als altgriechische Schwestern Koloraturen funkeln, der hell timbrierte Bariton Isaac Tolley stellt Odysseus kraftvoll auf die Bühne. Haozhou Hu ist nicht nur ein hochbegabter lyrischer Tenor, er überzeugt auch als Buffo und übernimmt auch noch eine kleine Rolle im Pausenprogramm auf einer bunt beleuchteten Insel im Gartensaal.
Damit nicht genug! Maximiliane Norwood veredelt auf der Viola d'amore ein Madrigal, das an die ranzige Imitation von Musik des 18. Jahrhunderts im Spätwerk von Richard Strauss gemahnt. Man langweilt sich zwar, kann aber nicht umhin, allen Beteiligten lauterste Absichten zu unterstellen. Das gilt auch für die sich mit der undankbaren Gips-Antike abmühende Regisseurin Franziska Severin und das transparent aufspielende Münchner Rundfunkorchester, das unter Olivier Tardy den Stimmen stets den Vortritt lässt.
Reflexion über fluide Geschlechterrollen
Auch der Studiengang Dramaturgie der Bayerischen Theater versetzt den Programmheftleser ins Staunen: Clara Bender verpasst dort dem antiken Stoff ein Update auf die aktuellen Gender-Debatten: Tatsächlich wäre die Geschichte von Achill, der sich in Frauenkleidern auf der Insel Skyros verbarg, um nicht am Trojanischen Krieg teilnehmen zu müssen, eine interessante Vorlage für eine Reflexion über fluide Geschlechterrollen, würde die Oper dem nicht entgegenstehen.
Muffig und sterbenslangweilig
Die ganze Mühe, der Fleiß und das dramaturgische Hirnschmalz werden leider von zwei älteren Herren ausgebremst: dem Librettisten Hanns-Josef Ortheil und dem Komponisten Wolfgang-Andreas Schulz. Es ist kein Zufall, dass ihre Oper seit der Uraufführung vor 26 Jahren am Staatstheater Kassel nicht nachgespielt wurde, denn "Achill unter den Mädchen" ist tatsächlich so muffig und sterbenslangweilig, wie bereits der Titel ahnen lässt.
Figuren ohne Kontraste
Schulz' Musik charakterisiert die Figuren handwerklich sauber. Aber sie plätschert ohne Kontraste im immergleichen Andante con moto vor allem wohllautend-kristallin vor sich hin. Und das ist einschläfernd. Nur ganz am Ende, in Deidamias Vision des Trojanischen Kriegs, gibt es eine Ahnung von Dramatik. Für die Charakterisierung von Ortheils Dramatisierung reichen zwei Zitate: "spröde Schöne" und "Die hat Tangoblut!". Immerhin: Das Duo war selbstkritisch genug, nach seiner Untat die Finger vom Musiktheater zu lassen.
Und was ist mit dem Bällebad? Es sieht zwar hübsch aus, leuchtet hin und wieder auf, bleibt aber unbespielt. Schon nach 15 Minuten möchte man dringend daraus abgeholt werden. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, diese Oper hervorzukramen und den Abend mit einer Pause zusätzlich in die Länge zu ziehen, gehört zur Strafe hineingeworfen. Und zwar nicht nur einmal.
Wieder am 21., 23. und 25. März, 19.30 Uhr, Karten unter Telefon 2185 1970 und theaterakademie.de