"Wir Schriftsteller sind alle Narzissten"
Vergangene Woche präsentierte der italienische Richter und Schriftsteller Giancarlo De Cataldo im Rahmen des Münchner Krimifestivals seinen gerade auf Deutsch erschienenen Roman "Schwarz wie das Herz": ein düsteres Porträt des Milieus der Einwanderer in Rom und kurioserweise das lang zurückliegende Debüt des Bestsellerautors.
AZ: Signor De Cataldo, erinnern Sie sich noch an den jungen, unsicheren Schreiber, der 1989 "Schwarz wie das Herz" verfasst hat?
GIANCARLO DE CATALDO: Ich war damals so sicher wie später nie wieder. Ich habe die erste Fassung an einen Verlag geschickt, eine Absage erhalten und sofort wieder zurückgeschrieben. Ich habe ihnen gesagt, sie hätten das Buch nicht verstanden, wir müssten und treffen, ich würde es ihnen erklären. So kam es dann auch. Das Buch hatte das schlechteste Cover meiner Karriere, darauf stand: "Der italienische Noir ist geboren." Darin steckte zwar ein bisschen Wahrheit, aber das hat natürlich niemanden interessiert. Ich war damals von Raymond Chandler und Dashiell Hammett beeinflusst. Aber der italienische Noir, ich bevorzuge die Definition "sozialer Krimi", begann eigentlich in Bologna mit Loriano Macchiavelli in den 70er Jahren. Dann kamen Carlo Lucarelli, Massimo Carlotto und ich. Und meine epische Ganggeschichte "Romanzo Criminale" hat dann 2002 das Genre revolutioniert.
Ihr Debüt ist gut gealtert und wirkt nicht aus der Zeit gefallen.
Ja, aber das liegt vor allem daran, dass wir noch immer über Einwanderung debattieren. Dieser Konflikt steht ja im Zentrum des Buches und damals war ich der erste, der darüber geschrieben hat. Dasselbe gilt für den Hacker, der im Buch auftaucht, niemand wusste damals, was das eigentlich ist. Auch meine Kenntnisse über dieses Gebiet waren äußerst gering. Aber ich habe jemanden gefunden, der mir vieles erklären konnte.
War Ihr Buch in Italien erfolgreich?
Überhaupt nicht. Aber der Verlag bekam sofort ein Angebot für die Filmrechte. Damals konnte man damit noch richtig Geld verdienen. Ich habe mein ganzes Haus neu möbliert und neue Teppiche gekauft. Ich habe dann einige Jahre keine Krimis mehr geschrieben, allerdings ein Buch über meine Erfahrungen als Richter, ein anderes über mein Aufwachsen in Apulien. Dann habe ich mich kriminalistische Kurzgeschichten gewidmet und Jahre an "Romanzo Criminale" gearbeitet.

Dieser Roman war dann der Grundstein für Ihren Ruhm?
"Romanzo Criminale" hat mein Leben verändert. Glauben Sie niemals Autoren, die behaupten, dass ihnen Erfolg egal sei. Erfolg ändert alles. Und wir Schriftsteller sind alle Narzissten. Ich habe seitdem nie wieder anklopfen müssen, ob jemand ein Skript veröffentlichen will. Diese Glückssträhne hält schon über zwei Jahrzehnte an. Und obwohl ich natürlich davon ausgehe, dass meine Bücher auch gut sind, braucht man eine Menge Glück. Man muss ja auch den richtigen Zeitpunkt treffen, wann ein Thema zündet. Zwei Tage nach der Veröffentlichung von "Romanzo Criminale" rief mein Agent an und sagte, ich solle mein Telefon ausmachen und sofort kommen, denn es gäbe riesiges Interesse an einer Verfilmung. Die wurde dann sehr populär. Ich habe über eine halbe Millionen Exemplare von dem Buch allein in Italien verkauft und es läuft immer noch gut.
Es wird oft behauptet, dass Filme wie "Der Pate" oder "Scarface" die Gangster selber beeinflusst hätten, zumindest was Stil, Mode, aber auch Schusstechniken angeht. Und es wird ein Weg aufgezeigt, schnelles Geld zu machen.
Ja, ich kenne die Debatte, weil das auch immer über "Romanzo Criminale" gesagt wurde: Ich hätte Jugendlich inspiriert, so zu sein wie die Gangmitglieder in meinem Buch. Ich denke vielmehr, dass solche Argumente nur ein Alibi sind, um sich nicht mit den wahren Gründen auseinanderzusetzen, die zu Verbrechen führen. Literatur und Kultur müssen frei sein. Autoren, die über das Böse schreiben, sind deswegen nicht für das Böse verantwortlich. Es funktioniert auch nicht andersherum: Es wird nirgendwo so viel über Päpste, Kardinäle, Priester und Nonnen berichtet wie in Italien und trotzdem sind wir keine Gesellschaft von Heiligen.

Was ist für Sie wichtiger, der Stil oder die Story?
Das kann man nicht trennen. Wenn der Stil wichtiger scheint als der Inhalt, wird es schnell manieriert und langweilig, und wenn jemand seinen Inhalt nicht ansprechend präsentiert, folgt ihm auch keiner. Im Augenblick erlebt der Krimi in Italien aber eine Krise, weil wir viel zu viel publizieren und niemand mehr einen Überblick hat, um die guten Bücher von den schlechteren zu unterscheiden. Ich schreibe eine Krimi-Kolumne für "La Repubblica" und lese wirklich in jeder freien Sekunde. Ich mache es inzwischen so: Ich gebe einem Buch maximal zehn Seiten - und wenn es dann noch kein Interesse bei mir geweckt hat, lese ich das nächste. Ich empfehle übrigens auch deutsche Krimis, die ich leider nur in der italienischen Übersetzung lesen kann. Ich mag Harald Gilbers und seine historischen Krimis, Friedrich Anis Kommissar Süden hat mich begeistert und natürlich Volker Kutscher, auch wenn die Verfilmungen von "Babylon Berlin" noch besser sind als seine Bücher.
Als Sie vor 35 Jahren mit "Schwarz wie das Herz" anfingen, galten Krimischreiber noch als eine Art zweitklassiger Schriftsteller.
Absolut und das hat sich in Italien ganz allein durch Andrea Camilleri geändert. Der ist ein Krimiautor und wirklicher Schriftsteller. Auch mein "Romanzo Criminale" ist inzwischen Stoff an Universitäten. Aber das ist ja auch logisch: Wer außer Krimi- und Science-Fiction-Autoren könnte denn besser die Angst und die großen Frage der Gegenwart benennen? Machen wir uns nichts vor: Nur im Winter stehen bei uns die Krimis auf den ersten Plätzen der Bestsellerlisten, den Rest des Jahres dominieren dann Liebesgeschichten von Autorinnen mit Pseudonymen wie Felicia Kingsley - übrigens eine Italienerin aus Bologna.
Giancarlo De Cataldo: "Schwarz wie das Herz" (Folio Verlag, 252 Seiten, 22 Euro)
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