Roman "Betongold" von Tanja Weber: Streifzug durch ein altes, gemütliches München
München - Der Smokey, der Moni und der Schani kennen sich, seit sie denken können. Gemeinsam sind sie in Giesing aufgewachsen. Als Jugendliche haben sie zusammen von der weiten Welt geträumt. Der Smokey, der da noch Sepp hieß, ist dann zur Polizei gegangen und hat Jahrzehnte lang in der Mordkommission gearbeitet. Der Moni, der da noch Hias hieß, ist auf Reisen gegangen und hat in Haiti seine große Liebe gefunden, mit der er nach München zurückgekehrt ist. Und der Schani hatte schon immer einen ausgeprägten Geschäftssinn und ist mit Immobilien reich geworden.
Den Kontakt zueinander haben die drei trotzdem nie verloren, und deshalb trifft es den Smokey und den Moni doch sehr, als der Schani eines morgens plötzlich tot in einer Giesinger Baugrube liegt.
Ein München wie aus einer Helmut-Dietl-Serie
Tanja Webers Krimi "Betongold" beschwört ein altes, gemütliches München wie aus einer Helmut-Dietl-Serie und ist in einem lakonisch-süddeutsch-bayerischen Plauderton geschrieben. Doch die Münchner Geschichte, die Weber erzählt, spielt in der Jetzt-Zeit, hauptsächlich im Sommer 2020. Den ersten Corona-Lockdown haben die Münchner schon hinter sich, der zweite folgt im Herbst. Der Moni muss seine Eckkneipe immer wieder schließen, und bei beruflichen Zusammenkünften in geschlossenen Innenräumen werden konsequent Masken getragen.
Doch das nur nebenbei. Den Protagonisten beschäftigen andere Probleme: Der ehemalige Mordkommissar Smokey, der seit fünf Jahren in Frühpension ist und seinen Morbus Bechterew mit medizinischem Cannabis therapiert (daher sein neuer Spitzname), fängt auf eigene Faust an, im Todesfall seines alten Freundes Martin Schaninger zu ermitteln - um seines eigenen Seelenfriedens willen.
Seine Untersuchungen führen ihn kreuz und quer durch München und Umgebung, von Giesing an die Isar, an den Starnberger See und an den Tegernsee, zum Kleinen Hofbräuhaus im Englischen Garten und zum Kultur- und Geflüchtetenzentrums Bellevue di Monaco (im Buch "Hallo München"). Wie der Titel ankündigt, dreht sich immer wieder alles um Immobilienspekulation und Mietwucher. Die Geschichte liest sich gut, auch wenn sie nicht allzu viel Überraschendes bietet.

Der Smokey und der Moni sind traditions- und klassenbewusst und gehen natürlich mit Vereinsschal zum Sechziger-Spiel im Grünwalder Stadion. Aber sie sind auch offen für Neues. Beide interessieren sich für die Kulturarbeit im Bellevue di Monaco aka Hallo München, wo sich Monis Tochter Aymée engagiert und ihren Freund Tahiil kennenlernt. Und bei der Polizei hatte der Smokey seine erfüllendste Zeit, als er 2015 bei der Aufnahme der Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof geholfen hat, weil er endlich mal etwas für lebendige Menschen tun konnte und nicht immer nur mit Toten zu tun hatte.
"Betongold": Figuren zwischen Weltoffenheit und Provinzialität
Die Krimi- und Drehbuchautorin Tanja Weber, die bereits mehrere Romane veröffentlicht und für die Fernsehserien "Türkisch für Anfänger" und "Verliebt in Berlin" geschrieben hat, hat in ihrem aktuellen Buch einige für München idealtypische Figuren zwischen Weltoffenheit und Provinzialität geschaffen.
Man fühlt sich wohl im Biotop des melancholisch-gutmütigen ehemaligen Mordkommissars, der stets auf der Seite der "kleinen Leute" steht und dabei eine große Loyalität zu seinen Freunden pflegt. Ganz unabhängig vom Ausgang des Kriminalfalls, genießt man es, mit ihm durch die Stadt zu streifen und über die Gerechtigkeiten und Ungerechtigkeiten des Lebens nachzudenken.
Tanja Weber: "Betongold" (Hoffmann und Campe, 240 Seiten, 20 Euro)