"Reset"-Autor Peter Grandl im Interview: Wie Deepfakes alles zerstören
Ein Supervirus kann jede Internet-Kommunikation fälschen: In seinem sozialpolitischen Roman "RESET – Die Wahrheit stirbt zuerst" beschreibt Peter Grandl ein längst nicht mehr unmöglich erscheinendes Szenario. Die AZ hat den Autor in der Münchner Innenstadt getroffen.
AZ: Herr Grandl, in Ihrem Roman stürzt die Welt ins Chaos, weil unter anderem Anrufe oder Video-Botschaften so täuschend echt gefälscht werden, dass niemand mehr weiß, ob er wirklich mit einem vertrauten Menschen spricht. Wie in Ihren anderen Werken werden die Grundfesten unserer Gesellschaft erschüttert. Ist das das Credo Ihrer Arbeit?
PETER GRANDL: Mich treibt in erster Linie die Frage an, wie wir erhalten können, was wir haben – und was passiert, dass das Konstrukt Demokratie keine Zukunft mehr hat. Gerade die für uns in der digitalen Welt verlorenen Menschen so nachvollziehbare Deepfake-Problematik zeigt, wie brüchig alles um uns herum ist, wie manipulierte Nachrichten alles zerstören können.
In einem Strang Ihrer Story soll in München ein angeblich von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abgeschossen werden, überhaupt nimmt die Zahl bedrohlicher Fake-News weltweit zu. Warum spielt sich das alles im Oktober 2024 ab? Hat das damit zu tun, dass damals mit dem iranischen Raketenangriff auf Israel der Nahost-Konflikt erneut eskalierte?
Auf den Gaza-Konflikt gehe ich nur am Rande ein. Aber ich habe eine Szenerie drin, in der in Tel Aviv zwei Israelis erschossen werden. "Auftrag erfüllt", teilt der Killer mit, und sein israelischer Geheimdienst-Chef sagt ihm, dass er gerade keine palästinensischen Terroristen, sondern die beiden wichtigsten KI-Forscher des Landes umgebracht habe. Das Video mit dem Auftrag war gefälscht!
Sie haben über viele Jahre hinweg Drehbücher geschrieben. Was ist beim Schreiben eines Romans für Sie anders?
Bei Drehbüchern reden viele mit – sei es der Produzent, sei es der Schauspieler, der sich am Set weigert, diesen oder jenen Satz zu sagen. Als Romanautor redet dir keiner rein. Der Redakteur vom Verlag arbeitet mit dir, aber das letzte Veto hat immer der Autor.
Wie steigen Sie in die Arbeit ein?
Wenn du nicht gerade ein ganz Großer der Branche bist, bekommst du keinen Freischuss vom Verlag. Ich stelle also meinen Stoff auf 30 bis 40 Seiten vor, und wenn ich dann die Freigabe habe, versuche ich meine Fiktion mit der Realität zusammenzupacken. Dazu gehört dann wahnsinnig viel Recherche inklusive Reisen – in diesem Fall zum Beispiel nach Glendalough in Irland oder auf die britische Insel Jersey. Das dauert vielleicht ein halbes Jahr.

Lernen Sie dann womöglich auch erst jene Menschen kennen, die Ihnen später als Vorlage für die oft sehr persönlichen Schicksale der Roman-Protagonisten dienen?
Ja. So habe ich ausführlich mit einem sogenannten Quick-Reaction-Piloten der Luftwaffe gesprochen, der ständig in Alarmbereitschaft ist und dann schnell auf unvorhergesehene Bedrohungen in der Luft reagieren muss. Ich saß mit ihm und seiner Familie zusammen – und es stand für ihn fest, dass er ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abschießen würde, falls seine Familie in eben jenem Flughafen sei, in den der Jet bei der Aktion abstürzen solle.
Bei welcher Gelegenheit drücken Sie denn gerne mal Ihre ganz persönliche Reset-Taste?
Wenn meine Ansichten und Erfahrungen mit denen der jungen Generation auseinanderdriften. Auf der einen Seite will ich eben nicht den so viel zitierten alten weißen Mann rauskehren, auf der anderen Seite versuche ich aber auch dazuzulernen und zu verstehen – was nicht immer leichtfällt. Da dreht sich dann die Welt so schnell, dass ich manchmal liebend gerne einen Reset-Knopf hätte.

Schriftsteller machen gerade – wie Drehbuchautoren auch – die Erfahrung, dass sie die Rollen der Protagonisten divers besetzen müssen. Wie geht es Ihnen damit?
Das wichtigste Schlagwort für Filmemacher ist gerade die "starke Frau". Die braucht in den Geschichten ihren Platz. Natürlich habe ich in "Reset" ebenfalls drei starke Frauen, aber auch schwache. In erster Linie sind da starke und verletzliche Menschen. Inzwischen geht es sogar so weit, dass die Agenturen Probleme haben, ihre etablierten Regisseure zu vermitteln, weil der Job mit einer Frau besetzt werden soll. Wenn wir schon alle so "open minded" sind, muss es doch komplett egal sein, wer da für wen welche Storys erzählt.
Wie sieht es mit Fake-News in Ihrem persönlichen Umfeld aus?
Ich kriege einfach nur einen Hals, wenn ich sehe, wie schnell auf Basis von falschen Informationen aus dem Netz typische Stammtisch-Gespräche entstehen und Fake-News die Vorlage für Rechtspopulismus liefern. Wenn eben zum Beispiel Bilder von angeblichen Flüchtlingen am Steuer eines SUV gezeigt werden, die keinem Faktencheck standhalten.
Am Dienstag, 24. Juni, 19.30 Uhr, liest Peter Grandl beim Krimifestival München (Paul-Heyse-Straße 2) erstmals aus seinem neuen Buch und geht dann auf große Lese-Tour.
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