Neuer Thriller zum Tod von König Ludwig II.: Der Fluch von Neuschwanstein
"Die Augen des Königs blickten ins Leere, der Mund war geöffnet, die schlaffe Zunge lag auf der Unterlippe. 'Tot!'" – so beschreibt Markus Richter in seinem dritten und letzten Neuschwanstein-Thriller "Königsherz" die Leiche von König Ludwig II. Bis heute sind die Umstände, wie der Märchenkönig vor über 130 Jahren ums Leben gekommen ist, ungeklärt. Was geschah am 13. Juni 1886 im Starnberger See bei Berg? Ist der Kini ertrunken? War es Selbstmord – oder wurde er Opfer eines Mordkomplotts?
Neue Unterlagen und ein neuer Thriller zum Tod des "Kini"
Markus Richter, Autor und ehemaliger Kastellan am Schloss Neuschwanstein, ist sich sicher: Die Entmachtung des Königs führte zu dessen Tod. Der 51-Jährige hat bislang unbekannte Aufzeichnungen zur Gefangennahme Ludwigs aufgespürt und in seinem neuen Thriller, der am Donnerstag erscheint, verarbeitet. Ganz geheuer war ihm dabei nicht immer, erzählt er der AZ.
Jahrzehnte unentdeckt versteckten sich die Briefe des "Augen- und Ohrenzeugen" Christian Singer in einer Kiste auf dem Dachboden einer Füssener Apotheke. Richter und seine Frau transkribierten die wiedergefundenen Schriften gemeinsam.
Demnach war Christian Singer in Ludwigs Todesjahr am Schloss Neuschwanstein Apotheker und Hoflieferant, er sei befreundet gewesen mit den Bediensteten seiner Majestät, berichtet der Autor. "Er hat einen 21-seitigen Bericht darüber verfasst, wie die Verhaftungen von Ludwig II. abgelaufen sind."
"Man wollte ihn loswerden"
Zur Erinnerung: Des Kinis Passion, der Bau seiner Märchenschlösser, war ihm zum Verhängnis geworden. Die dadurch entstandene millionenschwere Last konnte er nicht stemmen. "Man hat also überlegt, wie man ihn loswird", so Richter.
Am 9. Juni 1886 wurde der Märchenkönig durch die bayerische Regierung unter Johann von Lutz entmündigt. Ein – per Ferndiagnose – erstelltes Gutachten unter anderem durch den Arzt Bernhard von Gudden wies ihn als "seelengestört" und "unheilbar" aus und erklärte ihn für regierungsunfähig. "Im Prinzip war es ein Staatsstreich ohne rechtliche Grundlage."

"Ludwig war entgegen der öffentlichen Meinung nicht geisteskrank"
Das belegen laut Richter auch die neu entdeckten Briefe des Hoflieferanten – und zudem weitere wichtige Details. Denn neben Gudden als Hauptverfasser waren auch andere Ärzte angefragt worden, das Gutachten zu unterschreiben. Etwa Doktor Michael Kiderle von der Kreisirrenanstalt Kaufbeuren, ein Freund Singers – der ablehnte! "Er konnte bei Ludwig keinerlei Anzeichen von Geisteskrankheit feststellen", sagt Richter.
Mit der Entmachtung übernahm Ludwigs Onkel Luitpold als Prinzregent die Regierung, der König wurde in Gewahrsam genommen und auf Schloss Berg unter Hausarrest gestellt. "Eigentlich hätten alle Beteiligten als Hochverräter zum Tode verurteilt werden können", meint Richter. Ein Unheil war demnach programmiert.
Ein gescheiterter Verhaftungsversuch
Bevor Ludwig II. am Morgen des 12. Juni 1886 nach Berg gebracht wurde, war ein erster Versuch, ihn zu verhaften, in der Nacht auf den 10. Juni gescheitert. Laut Richter sei dies ein wichtiges Schlüsselereignis, das mehr über die Todesumstände des Königs verrate. Durch Singers Briefe ließen sich die genauen Abläufe in jener Nacht rekonstruieren. Ebenso sei abzulesen, wer vor Ort war, um den König abzuführen – "vom Grafen Holnstein über den Minister Crailsheim hin zu Doktor Gudden".
Und so lief die gescheiterte Verhaftung den Schriftstücken zufolge ab: In der Nacht auf den 10. Juni erschien eine elfköpfige Kommission auf Neuschwanstein, um dem Monarchen mitzuteilen, dass Luitpold die Regentschaft übernimmt und Ludwig – so war zunächst der Plan – ins Schloss Linderhof gebracht werden soll.

"Die Aktion war total stümperhaft"
Doch weil ihre Gala-Uniformen für die Verhaftung noch nicht an Ort und Stelle gewesen seien, wurde zunächst im Schloss Hohenschwangau nahe Neuschwanstein gegessen, Bier und Champagner getrunken, verraten die Briefe, wie Richter erzählt. Die Verhaftung sei schließlich eine Kleinigkeit, habe man gedacht, man nehme ja nur den verrückten König mit. "Die ganze Aktion war total stümperhaft."
In der Zwischenzeit sei der König aber vorgewarnt und die Kommissionsmitglieder seien selbst verhaftet worden. "Auch die Bevölkerung bekam Wind und stürmte mit Knüppeln und Mistgabeln zum Schloss, um den König zu verteidigen." Einen Tag später brachte eine neue Kommission Ludwig schließlich nach Berg – anstatt wie geplant nach Linderhof, so bestätigen es Singers Darlegungen.
Zwei Männer am See – später sind beide tot
Wie der Kini nun in seinem neuen Thriller genau ums Leben kommt, das möchte Richter vorab nicht verraten. Im realen Leben machten der entmachtete König und Gudden am 13. Juni bekanntermaßen einen Spaziergang am See. Kurz vor 23 Uhr fand man die Leichen beider Männer. Kam es zu Streitereien, weil der Psychiater Ludwig vom Selbstmord abhalten wollte? So zumindest lautet die offizielle Erklärung.
In Singers Briefen fehlen ausgerechnet die zwei Seiten über die Ereignisse in Berg. "Sehr bezeichnend", findet Richter. Hat der Augenzeuge sie absichtlich vernichtet? Hat man sie verschwinden lassen? Laut Richter deute die erste, stümperhafte Verhaftungsaktion jedenfalls auf einen "schlimmen Unglücksfall" hin.
Vermutlich sei der König versehentlich getötet worden, verursacht durch ein Kommissionsmitglied, das ihn ins Schloss Berg gebracht hatte. "Ich glaube aber nicht, dass es geplanter Mord war, sondern dass eine Verkettung von Unfähigkeiten und Überheblichkeiten zu einem Unglück geführt hat, das vertuscht wurde."
Fest steht laut Richter: Für den Märchenkönig war Neuschwanstein ein Ort, an dem er seine bittersten Stunden erlebt hat. Als ehemaliger Kastellan hat der Autor selbst vier Jahre am Schloss gelebt, er kennt jeden Winkel. "Ich habe mich während der Zeit oft gefragt, ob ein Fluch auf dem Schloss lastet." Vielleicht habe der Kini etwas von seinem persönlichen Unglück zurückgelassen?
Mysteriöse Todesfälle habe es während seiner Arbeit dort immer wieder gegeben, erzählt Richter. Bei den Recherchen zu seinem Roman seien zudem zwei Gesprächspartner, darunter der spätere Nachfolger des Apothekers, von dem er die Briefe erhalten hatte, plötzlich verstorben. "Das war ein Zufall zu viel vielleicht hallt de–r Mythos um den Tod irgendwie nach."
"Königsherz", Band 3 des Neuschwanstein-Thrillers, Markus Richter, edition tingeltangel, 18 Euro.
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