Graphic Novel über das Lieblingspferd von Ludwig II.: "Er war ein sehr moderner Charakter"
AZ-Interview mit Miguel Robitzky: Der Autor und Karikaturist, Jahrgang 1997, gebürtig aus Aschaffenburg, lebt in Köln und arbeitet unter anderem fürs "ZDF Magazin Royale".
AZ: Herr Robitzky, Sie sind in Aschaffenburg geboren, ganz im äußersten Nordwesten des Freistaats, aber trotzdem ein Fan von König Ludwig. Was fasziniert Sie so an ihm?'
MIGUEL ROBITZKY: Ich glaube, das hat wenig mit der lokalen Prägung zu tun, denn wenn man vor seinen Schlössern und Bauten steht, geht es gar nicht anders, als dass man davon in den Bann gezogen wird. Das erinnert einen ja total an Disneyland und andere popkulturelle Dinge, die dort ihren Ursprung genommen haben. Darüber hat sich bei mir diese Faszination eingestellt.
Über seine Bauwerke?
Ja, und wenn man sich dann mit dem Bauherren beschäftigt, entdeckt man eine unglaublich faszinierende Geschichte, die zwar schon häufig erzählt wurde, die ich aber nochmal neu interpretieren wollte.

Das haben Sie getan, aber in Ihrer Graphic Novel spielt die Hauptrolle "Cosa Rara", das Lieblingspferd von Ludwig II.
Genau. Das Pferd gab und gibt es tatsächlich noch, das steht ausgestopft auf Schloss Nymphenburg. Ludwig war ja ein Pferdenarr und "Cosa Rara" war sein liebstes, er hat es sich in Uhren gravieren und für sich malen lassen. Nachts ist er darauf ausgeritten. Das hat mich inspiriert.
Miguel Robitzky: "Gerade das Tragische birgt immer eine gewisse Komik"
Und so haben Sie zu zeichnen begonnen?
Aus meiner privaten Recherche heraus habe ich angefangen, die beiden zu zeichnen, und sie sahen automatisch aus wie ein etabliertes Comicfiguren-Duo - das fand ich eine sehr lustige Idee. Dazu kam natürlich, dass während der Recherche zufällig das Manuskript gefunden wurde - die persönlichen Aufzeichnungen des Pferdes. Damit kam der Rowohlt-Verlag auf mich zu und bat mich, die Memoiren von "Cosa Rara" zu illustrieren. (lacht) Mir wurde die Ehre zuteil, das erste Buch eines Pferdes zu zeichnen - wer kann das schon von sich behaupten?
Herausgekommen ist ein sehr vergnügliches, teilweise auch bissiges Buch. Darf man sich über den Kini denn lustig machen - er war ja eine tragische Figur?
Gerade das Tragische birgt immer eine gewisse Komik. Wenn man in so einem hohen Amt ist, dem man auf so vielen Ebenen nicht gewachsen ist, bringt das automatisch eine gewisse Komik mit sich.
Robitzky: "Ludwig II. passt sehr gut zur heutigen Generation Z"
In Bayern gibt es etliche Kini-Verehrer, die in glühender Ernsthaftigkeit dem König nachtrauern - und seinen ungeklärten Tod nach wie vor nicht hinnehmen wollen.
Das nehme ich eher als absurd wahr, weil es natürlich eine Spielwiese für Verschwörungstheorien und Spekulationen ist. Auch in unserem Buch haben wir jetzt eher eine Interpretation des Todes, weil man es eben nicht hundertprozentig weiß - außer das Pferd eben und das war ja dabei. Ich glaube, man kann sich aufs Pferd verlassen. (lacht)

Können wir heute sogar noch von Ludwig lernen? Hat sich vielleicht gar nicht so viel geändert seit seinem Tod vor 135 Jahren?
Bei der Recherche ist mir aufgefallen, dass Ludwig sehr viele Charakterzüge hat, die man heute eher mit der Generation Z oder den Millennials verbinden würde. Er war eigentlich ein sehr moderner Charakter.
Inwiefern?
Er war nachtaktiv, hat viel fotografiert, als das noch nicht üblich war, er hatte mit Depressionen zu kämpfen, er war homosexuell. Er hat all diese Dinge in sich vereint in einer Zeit, in der das entweder tabuisiert oder noch gar nicht öffentlich besprochen wurde. Er wollte auch fliegen, was ja erst ein paar Jahre nach seinem Tod realisiert wurde, sodass man zu seinen Lebzeiten schon gesagt hat, der hat doch nicht alle Latten am Zaun. Daher lohnt es sich sehr, heute nochmal draufzuschauen, vor allem auch, um zu bemerken, dass es die gesellschaftlichen Probleme, von denen wir denken, wir kümmern uns jetzt erst drum, damals schon gab.
"Immer mit Kinderkunst assoziiert": Robitzky über das Standing von Graphic Novels
In Ihrer Graphic Novel "Mein Leben unter Ludwig II. - Memoiren eines Leibreitpferdes" kommt sogar die Abendzeitung vor. Die gibt es zwar seit über 70 Jahren, aber zu Ludwigs Zeiten noch nicht. Es geht in der Erzählung also nicht ganz historisch korrekt zu, oder? Stimmt alles, was Ludwig im Buch betrifft?'
Das Allerallermeiste. Alles, was bei Ludwig passiert, habe ich zusammen mit einem Historiker erarbeitet und abchecken lassen. Es ist alles chronologisch korrekt und an historischen Ereignissen als Grundpfeiler angelegt. Witze und Anspielungen auf heute erkennt man dann schon, denke ich.
Nicht nur die Geschichte an sich ist spannend, als Graphic Novel ist alles sehr aufwendig gezeichnet und detailreich ausgestaltet, sodass auch das Ansehen allein eine Freude ist. Warum fristet das Genre hierzulande noch so ein Nischendasein?
Die Übergänge zwischen Comics und Graphic Novels sind fließend, letzterer Begriff wird verwendet, wenn es um eine in sich abgeschlossene Geschichte geht, ein Werk. Es gibt schon viele in Deutschland, die das machen, allerdings wird es im Feuilleton meistens nicht so breit besprochen wie "normale" Literatur. Es wird immer mit Kinderkunst assoziiert, was aber völlig falsch ist.
Haben Sie schon Pläne für weitere Bücher aus der Perspektive berühmter Haustiere?
Aktuell ist Hape Kerkeling ja mit seinen Katzen sehr weit oben auf der Bestsellerliste. Damit wir ihm das das nächste Mal abluchsen können, habe ich schon gedacht, machen wir was aus der Perspektive von seinen Katzen. Aber so weit sind wir noch nicht.
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