Die Reise in die Endlosigkeit der Sahara
Ein „hochinfektiöses Internetfoto“ gab den Startschuss für Wolfgang Büschers Weg in die Wüste. Der bislang stets auf Solopfaden wandernde Bestsellerautor („Berlin - Moskau“) musste sich allerdings für sein Abenteuer in der algerischen Sahara einem Jeep, dem Fahrer und Begleitern anvertrauen, um eine Genehmigung für seine Reise durch das Land der Tuareg zu erhalten.
Büscher bewundert die "Wüstenintelligenz" seiner Begleiter
Nach der Landung in Tamanrasset, Ausgangspunkt von Büschers Reise, überfällt ihn zunächst ein großes Staunen. Nichts kann mehr mit mitteleuropäischem Maßstab gemessen werden, die Weiten sind ungeheuerlich. Allein der Le Grand Sud genannte algerische Saharateil ist sechs Mal größer als Deutschland. Trotzdem weiß sein Fahrer mit einer Karte wenig anzufangen, er kennt die Wüste und orientiert sich an Felsformationen, Bäumen, Gebirgszügen. Die „Wüstenintelligenz“ seiner Begleiter bewundert Büscher immer wieder.

Konkrete Daten, Zeit- oder Entfernungsangaben lässt Büscher außen vor, manchmal fahren sie „tagelang“ durch sich kaum verändernde Mondlandschaften aus Geröll und Stein. Und da Büscher auch auf Fotos verzichtet (es gibt nur zwei im Umschlag) und gänzlich auf Karten, stellt sich das überwältigende Gefühl der Verlorenheit in der Weite auch beim Lesen ein. Selbst wenn man parallel zum Buch nach Fotos googelt, so ist das ein müßiges Unterfangen, denn Büschers Sprache evoziert weitaus mächtigere Bilder, als sie im Internet zu finden sind.
Büscher begeistert sich an Felsmassiven „wie verwittternde urzeitliche Gewaltbauten“, die einen Bilderstrudel im Kopf des Autors erzeugen. „Das alles überreizte den Geist“, schreibt er. „Der Reigen der Monstrositäten warf Fragen auf, die nicht sein durften. Wer hat das aus den Felsen gehauen, wer hat es gemacht und wozu und für wen?“ Die metapysischen Fragen sind auch aus einem ganz anderen Grund Bestandteil der Reise, denn sie wird in der Einsiedelei des Père de Foucauld auf dem Assekrem-Plateau ihr Ende nehmen.

Dieser 1858 in Straßburg geborene spätere Soldat, Forscher und Mönch war nicht nur Verfasser eines 2000 Seiten umfassenden Wörterbuchs der Tuareg-Sprache Tamahaq, er verschriftete auch die sonst mündlich weitergegebenen Geschichten und Fabeln der Nomaden. 1916 erschossen ihn Dschihadisten bei einer offenbar missglückten Geiselnahme.
Ein Missionar, der keine Seele bekehrte
Der Freund der Tuareg, der als Missionar keine Seele bekehren konnte, starb mit 58 Jahren und wurde 2022 von Papst Franziskus heiliggesprochen. Büscher steigt im Laufe seiner Reise immer tiefer in das Leben des französischen Sonderlings ein, er erzählt aber ebenso von den aktuellen Problemen im Süden Algeriens, den Goldgräbern aus Mali, den Flüchtlingsrouten und dem langsamen Abschied der Tuareg vom Nomadenleben.
Charles de Foucaulds Einsiedelei auf dem Assekrem in rund 2700 Metern Höhe wird zu Zeiten von Büschers Besuch von zwei Ordensbrüdern bewohnt. Ein aus Andalusien stammender Frère berichtet von Besuchern aus dem Westen, die ein paar Tage dort hoch kämen und dann ein Buch schrieben: „Das Buch kannst Du auf den Müll werfen.“ Diejenigen aber, die länger blieben und gar nicht schrieben, die seien gut.
Glücklicherweise hat Wolfgang Büscher diesen vergifteten Rat nicht befolgt.
Wolfgang Büscher „Der Weg“ (dtv, 236 Seiten, 24 Euro)
- Themen:
- Fremdenverkehr