Deutscher Wettbewerb für Kurzgeschichten: Wenn die Nuggets aufblitzen

Natürlich ist es ein großer Erfolg, wenn jedes Jahr Hunderte Autorinnen und Autoren zwischen 13 und 80 Jahren ihre Geschichte einreichen. In diesem Jahr war das Motto ein wenig merkwürdig: "Was für..." - eine Floskel aus der Jugendsprache, ein Ausdruck für "Was soll das?". Seit einem Monat wurden die Texte gesichtet und die Finalisten einer Jury übergeben, in der auch der Autor Fridolin Schley oder Helmut Krausser saßen. Und live abgestimmt wird am Samstag auch über einen ein Publikumspreis (2000 Euro), der an einen der vorgelesenen Finalisten vergeben wird.
AZ-Interview mit Otger Holleschek
Der Geschäftsführer der h+s Veranstaltungen stellt seit den 90er-Jahren Partys auf die Beine und ist Mitgesellschafter der Brauerei Giesinger. Er konzipierte auch Spezialprogramme der Philharmoniker und startete Literaturevents.
AZ: Herr Holleschek, warum machen Sie seit über 20 Jahren diesen Kurzgeschichtenwettbewerb?
OTGER HOLLESCHEK: Einer echten Geschichte zu begegnen, ist ein erhebendes Gefühl. Die muss auch nicht immer literarisch wertvoll sein. Am wichtigsten ist, dass sie authentisch ist, dass ich spüre: Da muss jemand etwas unbedingt erzählen. Hat eine Geschichte beides, ist das, wie wenn man beim Goldschürfen ein Nugget aufblitzen sieht. Aber die kulturell fetten Jahre, die wir mit dem Deutschen Kurzgeschichten-Wettbewerb und dem Literaturfestival "Hörgang" erlebt haben, sind vorbei.
Weshalb? Sie hatten doch über 600 Einreichungen?
Ich meine nicht die Einreichungen, sondern das Publikum.
Müssten das einer Veranstaltung wie dem Kurzgeschichtenwettbewerb nach zwei Jahren kultureller Entbehrung nicht die Bude einrennen?
Die Leute gehen nicht mehr so oft aus, nutzen weniger freie kulturelle Angebote. Hinzu kommt, dass die Auswahl an Angeboten riesig ist. Ich muss viel mehr Werbung machen als früher, muss die Veranstaltung, unser Ansinnen, wieder ins Gespräch bringen, obwohl wir neben dem "Open Mike" in Berlin den größten deutschsprachigen Literaturnachwuchswettbewerb veranstalten.
Wenigstens die Lust am Geschichtenerzählen ist ungebrochen.
Ja, auch wenn viele junge Menschen sich weniger für Literatur interessieren, haben uns an die 600 Geschichten zum Thema "Was für!" erreicht. Auch bei Themen der vergangenen Jahre wie "Kaputt" oder vor längerer Zeit "München" war es toll, eine Idee davon zu bekommen, was die Menschen denken, womit sie sich beschäftigen. Die gesammelten Geschichten zu München hätte ich dem Oberbürgermeister mal überreichen sollen, denn sie zeichneten ein interessantes Bild der Stadt. Sie verrieten, wie die Bürger ihre Stadt sehen.
Roger Willemsen reagierte pikiert
Wie könnte es mit dem Wettbewerb weitergehen?
Es wäre wahnsinnig wichtig, die Lust an Sprache und Kultur in jungen Formaten zu aktivieren. Es ist gar nichts gegen viele interessante Spiele oder Apps einzuwenden, aber ich finde junge Menschen sollen eben auch lesen. Es sollte sowas wie "Deutschland sucht den Superautor oder die Superautorin geben". Das hatte ich übrigens vor Jahren mal Roger Willemsen vorgeschlagen. Der hat eher pikiert reagiert.
Wie sieht es mit Anträgen auf Förderung aus?
Wer mal einen Antrag beim Budget der Bezirksausschüsse oder dem Kulturreferat abgegeben hat, weiß, wie schwierig das ist, auch wenn das Kulturreferat nichts dafür kann, weil es da Richtlinien gibt. Aber finanziert wird nur, was einem an Geld noch fehlt. Einen hohen Anteil der Kosten sollte man selbst stemmen, so dass eine Veranstaltung, die Gewinn für einen freien Kulturveranstalter abwerfen muss, nur schwer gefördert werden kann. Seit fünf Tagen hat mir das Kulturreferat Hilfe zugesagt. Man muss schon richtig dafür brennen, aber so verbrennt man leider auch viel Kraft.
Worauf sind sie stolz?
Unter anderem, dass auch Autorinnen und Autoren, bevor sie berühmt wurden, von uns erkannt wurden und ins Finale kamen, wie Birgit Birnbacher, die dann später den Bachmann-Preis bekommen hat oder Friedrich Ani hat - weil das Thema "München" für ihn so gut gepasst hat, auch schon mitgemacht. Und deshalb sitzen bei uns im Publikum anonym auch Literaturagenten, wie ich zufällig schon öfter mitbekommen habe. Und die lesen dann danach auch die Story-App, die wir mit den Finalisten bestücken.
Was sind die Voraussetzung für eine Teilnahme?
Jeder kann teilnehmen und alle Texte werden anonymisiert, bevor sie von einer Vorauswahlgruppe und dann der Jury gelesen werden. Einmal war auch ein 80-Jähriger dabei, der erzählte, wie sie als Schüler einem sadistischen Nazi-Lehrer aufgelauert und ihn zugerichtet haben. Das war so wahrhaftig erzählt, dass man sofort berührt war. Die geschichtliche Wahrheit besteht eben auch aus dem wahrhaften Weitergeben von Geschichten.
Samstag, 19. November (Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr) in der Alten Kongresshalle München, 20 Euro (mit Essen 40 Euro), Anmeldung unter www.zuendeln.de.