Das Literaturfest hat begonnen
Die Münchner Raumnot hat auch ihrer guten Seiten. Von 1967 an fand die Münchner Bücherschau für 33 Ausgaben ihre Heimat im Haus der Kunst. Dort ist sie nun seit 1989 erstmals wieder zu Gast und dabei deutlich schöner gestaltet als im Gasteig.
Entsprechend freute sich zum Auftakt des diesjährigen Literaturfestes Andrea Lissoni, Direktor am Haus der Kunst, auf ein Haus "voller Leben". Denn bis zum 3. Dezember kann man nun nicht nur in gemütlichen Sitzecken durch 13 000 Bücher von 200 ausstellenden Verlagen blättern. Es gibt auch zahlreiche Lesungen im Haus der Kunst.
Aber natürlich nicht nur dort. Tanja Graf, Leiterin des Literaturhauses, hat für dieses Jahr Lukas Bärfuss als Kurator für die "Forum"-Reihe gewonnen. Der Schweizer Autor hat Veranstaltungen rund um das Thema "Erbe" zusammengestellt. Dabei geht es auch darum, in welchem Zustand wir die Welt hinterlassen. Dabei wird konkret über Themen wie Müll oder Landwirtschaft diskutiert (mit Ewald Frie, Autor des Bestsellers "Ein Hof und elf Geschwister", 22.11., 18.30 Uhr im Literaturhaus), aber auch über die Literatur selbst.
So beschäftigt sich eine Diskussion in den Kammerspielen an diesem Samstag (18 Uhr) mit der Kanonisierung von Literatur und der Frage, ob wir Bücher heute anders lesen als vielleicht noch vor wenigen Jahren, oder sogar anders lesen sollten, damit Stereotypen nicht einfach fortgeschrieben werden.
Ein Fest der Meinungsfreiheit
Die "Porösität der Gegenwart" (Bärfuss) lässt natürlich auch das Literaturfest nicht unberührt. Oberbürgermeister Dieter Reiter wies in seiner Rede darauf hin, dass die ursprünglich für die Eröffnungsrede eingeladene indische Autorin Arundhati Roy mit "fadenscheinigen Anschuldigungen" von der indischen Regierung an der Ausreise gehindert wurde. Die Lage für Schriftsteller oder kritische Journalisten sei in vielen Ländern sehr schlecht, ein Literaturfest daher auch ein Fest der Meinungsfreiheit und des gedanklichen Austausches.
Die Kehrseite des offenes Dialogs, die Geschichte der verbotenen Bücher, kann man derzeit in einer hochinteressanten Ausstellung im Literaturhaus erkunden. Was aber kann Literatur angesichts der zahlreichen Kriege und Krisen aktuell überhaupt noch leisten?
Für Bärfuss ist klar, dass Literatur auch die Arbeit an der Vorstellungskraft eines Menschen bedeutet. Und diese Vorstellungskraft sei überhaupt erst die Voraussetzung für eine bessere Gestaltung der Zukunft.
Dieser Gedanke passte gut zur Festrede des israelischen Philosophen Omri Boehm über das Erbe des universellen Humanismus auch angesichts der Ereignisse am 7. Oktober und danach in Israel und Gaza: "Dass nämlich die einzige Möglichkeit, die Leben der Menschen auf der einen Seite als unendlich wichtig zu begreifen, darin besteht, die Leben auf der anderen Seite als gleichermaßen unendlich wichtig anzusehen. Und dass deshalb jede mögliche Lösung für diese Finsternis politisch sein muss, nicht militärisch" sagte Boehm, bevor die Literaturszene zu den Klängen der Müncher Sängerin Malva im Haus der Kunst der Aufforderung zum Diskutieren und Zuhören folgte.
- Themen:
- Dieter Reiter
- Haus der Kunst