Lyrik-Star Clara Lösel mit Tipp für Münchner Bücherfans
Die Jüngeren kennen sie als Poesie-Phänomen mit Millionenreichweite auf Instagram, TikTok und YouTube. Andere als mehrfache Literaturpreisträgerin, Bestseller-Autorin und starke Stimme ihrer Generation. Im Rahmen ihrer Deutschland-Tour „Wehe du gibst auf“ – benannt nach ihrem gleichnamigen Bestseller, gastiert sie am Freitag im Carl-Orff-Saal der Fat Cat.
AZ: Frau Lösel, Sie sind in Gießen geboren und wohnen teils dort, teils in Berlin. Verbindet Sie dennoch etwas mit der bayerischen Landeshauptstadt?
CLARA LÖSEL: Eine ganze Menge! Ich war zwar noch nie beim Oktoberfest, aber meine Großeltern hatten früher eine kleine Wohnung in Haidhausen, direkt am Ostbahnhof. Ich erinnere mich noch daran, dass wir hin und wieder das Training des FC Bayern angeschaut haben, weil mein Bruder großer Fan war. Das war noch zu Zeiten von Michael Ballack und Philipp Lahm.
Als Bücher-Fan schauen Sie immer nach den besten Buchhandlungen. Empfehlungen für Münchner Leseratten?
Der Hugendubel am Stachus geht immer.
Dort können Sie sicher ihren eigenen Gedichtband „Wehe, du gibst auf“ bewundern.
Egal, in welchen Buchladen ich in Deutschland gehe: Da steht mein Buch. Das ist echt surreal. Dass das mit den Gedichten im Netz und jetzt auch mit dem Buch so gut funktioniert, hätte ich nie gedacht.
Angenommen, Sie wären nicht zu einem Sprachrohr Ihrer Generation geworden: Was war Ihr Plan B?
Eine gute Frage. Keine Ahnung, wie lange ich durchgehalten hätte. Ganz aufgehört zu schreiben hätte ich nie. Vielleicht wäre ich doch Gymnasiallehrerin geworden.
Das Erste Staatsexamen haben Sie bereits bestanden.
Genau. Aber irgendwie hatte ich dann das Gefühl, wenn ich es jetzt nicht als Künstlerin mit der Lyrik probiere, bereue ich das später.
Wenn Sie heute Lehrerin wären, welche Schullektüre würden Sie mit den Jugendlichen lesen und welche auf keinen Fall?
Ich erinnere mich, dass wir Klassiker wie den „Sandmann“ oder „Faust“ gelesen haben. Ich will diese alten Bücher nicht verteufeln, aber am liebsten mochte ich es, wenn uns die Lehrer haben mit entscheiden lassen, was wir lesen wollen. So wie bei „Nichts“ von Janne Teller, wo es um den Sinn des Lebens geht. Ich würde auch die Biografie von Margot Friedländer mit Jugendlichen lesen. Die fand ich total leicht zugänglich. Und natürlich etwas von meinen Lieblingsautorinnen Elizabeth Gilbert und Cornelia Funke.

In der Schule musste man hin und wieder Gedichte auswendig lernen.
Ich zum Glück nie. Ich erinnere mich an Joseph von Eichendorffs „Mondnacht“: zwei Seiten nur über den Mond. Wenn wir mal ehrlich sind: Einen 14-Jährigen juckt der Mond eher so mittelviel. Ich habe als Schülerin freiwillig ein Gedicht auswendig gelernt. „Fire and Ice“ von Robert Frost hieß das. Aber nicht falsch verstehen: In der Schulzeit war es nie so, als wäre ich durch die Gegend gerannt und gegen die Straßenlaterne gestoßen, weil ich irgendwelche Gedichtbände in der Hand hatte. Deshalb verstehe ich Menschen, die mit Gedichten erstmal nichts anfangen können.
Wie sind Sie dann in die Lyrik reingerutscht?
Durch meinen Opa Rudolph. Er ist leider 2019 gestorben, aber ich habe ihm mein Buch und meine Live-Tournee gewidmet. Der hat meinem Bruder und mir immer selbsterfundene Geschichten erzählt. Mein Opa war Briefträger, aber an ihm ist ein ganz toller Kinderbuchautor verloren gegangen.
"Gute Ideen kommen mir häufig in der Dusche"
Schreiben Sie noch Briefe?
Ein Brief oder eine Postkarte ist etwas ganz anderes als eine WhatsApp-Nachricht. Ich schreibe gerne Karten aus dem Urlaub. Als ich nach dem Abitur für ein Jahr nach Spanien gegangen bin, habe ich an all meine Liebsten mehrseitige Briefe geschrieben.
Sie verdienen Ihr Geld mit Gedichten. Das gelingt nur ganz wenigen. Wie schaffen Sie es, trotzdem so viele junge Menschen zu begeistern?
Erstmal: Gedichte sind ganz und gar nicht altmodisch. Lyrik passt super in unsere Zeit, in der jeder mit einer immer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne zu kämpfen hat. Gedichte schaffen es, Sachen mit so viel Ehrlichkeit und Klarheit auf einen Punkt zu bringen - und sind trotzdem künstlerisch.
Also schreiben Sie Ihre Gedichte ganz romantisch auf Papier?
Meine Buch- oder Tour-Texte schreibe ich auf der Notizen-App meines Handys oder Laptops, weil ich sehr oft noch einmal etwas ausbessere. Außerdem kann ich von überall aus schreiben.
Zum Beispiel?
Gute Ideen kommen mir häufig in der Dusche, da flitze ich dann raus und schreibe sie auf. Oder ich sitze im Auto und muss rechts ranfahren, wenn mir was einfällt. Außerdem schreibe ich viel in der S-Bahn. Nur, wenn ich an einer konkreten Idee feile, brauche ich meine Ruhe. Da arbeite ich am liebsten zwischen ganz vielen Büchern in einer Bibliothek.
Am 14. November um 19.30 Uhr im Carl-Orff-Saal (Alter Gasteig), ausverkauft
