"City on Fire" von Don Winslow: Trojanischer Krieg an der Ostküste
München - Die Schicksalsgöttin steigt aus dem Meer: "Nur dass sie real ist und es wegen ihr Ärger geben wird. Wie meistens mit schönen Frauen."
Don Winslows Trilogie: Zum Abschied kehrt er zu seinen Anfängen zurück
So verheißungsvoll beginnt Don Winslows neuer Roman "City on Fire", erster Teil einer schon in der Pandemie vollendeten Trilogie, die den Schlussstrich unter das Werk des Krimiautors ziehen soll.
Denn der 68-Jährige hat sich ein neues Ziel gesetzt: den Kampf gegen Donald Trump. Er möchte die Demokraten unterstützen, die bessere Ideen und Visionen von Amerika haben, aber nicht besser darin sind, diese Inhalte an die Wähler zu vermitteln. Sie werden Winslows Stimme benötigen.
Für Winslow schließt sich mit "City on Fire" auch deswegen ein Kreis, weil er zum Abschied zu seinen Anfängen zurückkehrt. Die ersten Kapitel hat er schon vor drei Jahrzehnten geschrieben. Der Schauplatz seines neues Mafiaepos ist seine Heimat Rhode Island an der amerikanischen Ostküste zwischen Boston und New York.
In der örtlichen Bücherei eines kleinen Fischerdorfes arbeitete seine Mutter und im Bücherladen sog er hungrig die Weltliteratur ein, weshalb den Kapiteln Zitate aus der "Ilias" oder "Aeneis" vorangestellt sind.
Das wirkt etwas pompös, auch wenn es natürlich stimmt, dass Themen wie Macht, Gewalt, Rache und Gerechtigkeit Homer oder Vergil ebenso beschäftigten wie jeden modernen Krimiautor. Und zur Freude von kriminalistisch veranlagten Altphilologen blitzen im Roman auch Anspielungen auf antike Vorlagen auf.
"City on Fire" spielt fast nur in Dogtown
In seiner weltberühmten Kartell-Trilogie beschrieb Winslow Amerikas Kampf gegen die Drogen quer über den Kontinent, "City on Fire" dagegen spielt fast nur in Dogtown, benannt nach den wilden Hunden, die hier vor langer Zeit die Abfälle der großen Schlachthöfe suchten. Hier ließen sich die irischen Einwanderer nieder, später die italienischen.
"Die alten Yankees hassten die aalglatten Iren und die schmierigen Itaker, die Micks und die Kanaken, die ihre makellose Protestantenstadt mit katholischen Heiligen verschandelten", schreibt Winslow. Und beide, die Iren und die Italiener sind auch 1986/87, zur Zeit der Romanhandlung, in illegale Geschäfte verstrickt.
Heißsporn Liam ist das schwarze Schaf der Murphy-Familie
Winslows neuer Held heißt Danny Ryan. Einst hatte sein Vater in Dogtown das Sagen, doch er ruinierte sich so mit Alkohol, dass die Murphys die Geschäfte übernahmen, die Docks kontrollieren und dafür sorgen, dass nicht jede Warenlieferung auch im vollen Umfang ihr Ziel erreicht.
Danny, dessen Mutter ihn als Säugling im Stich gelassen hatte, wächst bei den Murphys am Familientisch auf und heiratet deren Tochter Terri. Auch wenn Familienoberhaupt John Murphy ursprünglich dagegen ist: "Das Blut der Ryans - auf denen liegt ein Fluch." Aber Terris Liebe ist stärker und ihr Bruder Pat zudem Dannys unzertrennlicher Freund. Das schwarze Schaf der Murphy-Familie ist hingegen Heißsporn Liam.
Don Winslows Sound ist schnell, hart und mitreißend
Beim Strandfest des italienisches Paten Pasco Ferry sind auch die Murphys eingeladen, schließlich sind die Geschäftsbereiche, Schmuggel, Prostitution, Drogen oder Automaten feinst säuberlich zwischen den Clans aufgeteilt. Hier trumpft Paulie aus dem Moretti-Clan mit der eingangs erwähnten Schicksalsgöttin Pam auf, seiner neuen Eroberung.
Liam wird sich im nächtlichen Nebel unklug verhalten und eine Mischung aus Alkohol, Testosteron, gekränktem Männerstolz und überzogenem Ehrgefühl führt unweigerlich in die Katastrophe: der Krieg zwischen den Iren und Italienern entbrennt und bald spielt die Nichtigkeit des ursprünglichen Anlasses keine Rolle mehr. Blut führt zu immer mehr Blut.
Winslows Sound ist schnell, hart, mitreißend und er schreibt so filmisch, dass diese Mafia-Saga ein Kopfkino auslöst, bei dem die Romanfiguren mit den großen Genreklassikern konkurrieren. Der Abschied des Autors ist höchst bedauerlich. Aber wenn in zwei Jahren auch der dritte Teil veröffentlich ist, kann sein Kampf gegen Trump ja auch schon gewonnen sein.
Don Winslow stellt "City on Fire" (HarperCollins, 376 Seiten, 22 Euro) am Sonntag, 29. Mai, um 19 Uhr im Substanz, Ruppertstraße 28 vor, Eintritt 10 Euro, Münchenticket oder Anmeldung über die Krimibuchhandlung "Glatteis" (Telefon 089/2014844)
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