Bruckner am Marstall: Anspruch für alle
Belohnter Mut zum Risiko: Kent Nagano und das Bayerische Staatsorchester machten die Urfassung von Anton Bruckners Symphonie Nr. 8 am Marstallplatz zu einem Volksfest.
Bruckner hat einen guten Draht zum Himmel“, sagte Opernintendant Nikolaus Bachler zur Begrüßung. Eine Woche Sauwetter endete am Sonntag mit einem überraschend lauen Abend, der geschätzte 7000 Münchner zum kostenlosen Festspielkonzert auf den Marstallplatz hinter der Oper lockte.
Vor dem symphonischen Hauptgericht servierte das Attacca-Jugendorchester Wagners „Rienzi“-Ouvertüre. Im türkisen T-Shirt beschwor Kent Nagano die einmalige, fast 500-jährige Tradition des Bayerischen Staatsorchesters. Das vom Cellisten und ehemaligen Tölzer Knaben Allan Bergius geleietete Projekt ist die Investition des Orchesters in die Zukunft: Mit Musik, so Nagano in charmantem Denglisch, lässt sich fürs Leben lernen, wie man in schwierigen Situationen gemeinsame Lösungen findet.
Gut gemischtes Publikum
Nach dem höchst anständig hingelegten Wagner-Knaller machten die 90 Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren Platz für ihre befrackten Kollegen, die teilweise auf der Bühne zugehört hatten. Auch Nagano kehrte in Berufskleidung zurück, um die erst 1973 in London erstmals gespielte Urfassung von Anton Bruckners Achter zu dirigieren. Sie unterscheidet sich in vielen Details von der geläufigen Version und ist kaum jemals im Konzert zu hören.
Wie 2007 bei der Vierten bewies die sperrige Musik des oberösterreichischen Querkopfs auch diesmal ihre Volksfesttauglichkeit. Auf Thermodecken gelagert, lauschte das aus jung und alt gemischte Publikum konzentriert dem 80-minütigen Kolossalwerk in vier Sätzen. Gelegentliches Kindergeschrei machte die Steigerungen der Musik noch dramatischer. Bei den manche Generalpausen erfüllenden Knallern blieb ungewiss, ob es sich um Prosecco-Flaschen oder die Türen der Dixi-Klos hinter dem Marstall handelte.
Der Halbmond schien
In der Mitte des Platzes erreicht der nochmals verbesserte Klang mittlerweile fast CD-Qualität. Nagano machte keine Kompromisse. Er ließ die Musik frei ausschwingen und baute die monumentale Architektur mit großer Gelassenheit auf. Wie meistens an frischer Luft wirkte Leises oft noch eindrucksvoller als die große, klangprächtige Geste.
Am Ende strahlte der Halbmond über dem fast wolkenlosen Himmel. In der letzten, fast vier Minuten dauernden Steigerung setzten Nagano und das Orchester einen monumentalen Schlusspunkt. Bleibt zu hoffen, dass auch Wagner in Walhall beim Wetter nächsten Sonntag mitreden darf.
Robert Braunmüller
Am 5. Juli wird „Lohengrin“ ab 17 Uhr in Bild und Ton auf den Max-Joseph-Platz übertragen