Böser Boy, guter Kumpel

Bassbariton Bryn Terfel brachte die Schurken der Opernwelt in die Philharmonie. Nur hätte man mit diesen Teufeln, Mördern, Quacksalbern und Rächern am Ende fast ein Bier trinken mögen
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Bassbariton Bryn Terfel brachte die Schurken der Opernwelt in die Philharmonie. Nur hätte man mit diesen Teufeln, Mördern, Quacksalbern und Rächern am Ende fast ein Bier trinken mögen

Ein Bühnenurviech ist er, dieser Bryn Terfel. Einerseits. Andererseits hat’s der Mann aus dem walisischen Pant Glas aber auch gerne bequem. Und einen, sagen wir, stattlichen Körper in Bewegung zu bringen, ist anstrengend genug. Bryn, der Hüne, setzt also lieber auf kleine Gesten und diese konspirativen Blickbomben, die noch in den hinteren Reihen der (ziemlich dünn besäten) Philharmonie zünden. Beste Voraussetzungen also für seine „Bad Boys“, denen die brave Welt doch auf den bösen Leim gehen muss. Und Schurken, Fieslinge, dunkle Gestalten gibt es im tiefen Fach eine Menge.

Allerdings schielt Terfel, der just heute 45 wird, nicht nur auf die rabenschwarzen Gesellen, auch zwielichtige Gestalten sind in seiner Sammlung, und die liegen ihm besonders. Über Dulcamara, diesen ausgebufften Quacksalber aus Donizettis „Elisir d’amore“, gießt er ein Extrafläschchen Witz. „Udite!“ – wer lässt sich von diesem Charmeur nicht um den Finger wickeln, zumal Bryn auf Bier setzt und sich die erste Ration selber gönnt.

Das hat Charme, und man vergisst fast, dass sich an diesem gemütlichen Nachmittag ein musikalischer Höllenschlund öffnen soll. Aber Terfel ist sogar ein sympathischer Teufel. Und wenn er nach Arrigo Boitos Mefistofele-Arie „Sono lo spirito che nega“ die allerderbsten Pfiffe des Opernzirkus’ nachschiebt und noch wie ein Bullterrier knurrt, ist der Kumpel eh perfekt.

Mühelos und flexibel

Wenigstens beim „Freischütz“-Kaspar (in fabelhafter Diktion) und mehr noch dem eiskalten Tosca-Bedränger Scarpia ist Schluss mit lustig. In Jagos („Otello“) „il fango originario in me“ glüht dazu eine gute Portion Hass. Zumal das Rundfunkorchester mit dunkel gleißenden Tiefen in die richtige Richtung zieht. Und Dirigent Gareth Jones immer noch ein paar gellende Farben, eine Spur mehr Gift aus den Musikern kitzelt.

Terfel muss nicht kraftmeiern, fast mühelos fließen die Töne, die Stimme ist flexibel genug für Koloraturen. Und doch läuft ihm das Leichte am besten aus der Kehle: Mordsfriseur Sweeney Todd und Arthur Sullivans Roderic sowieso. Gershwin („Porgy“: „It ain’t necessarily so“) hat lässigen Swing, der selbst den Massen des Münchner Oratorienchors in die Hüften fährt. Dafür bekommt Javerts „Les Misérables“-Hit „There, out in the darkness“ seltenes Gewicht – und bleibt die einzige Zugabe im launigen Allerlei der gar nicht so bösen „Badies“. Good Boy Bryn hat brav gewerkelt, das muss reichen, und ein letzter Blick strengt auch nicht an.

Christa Sigg

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