Blutenburg-Theater feiert 40. Geburtstag
Mord und Totschlag gehen immer. Das wusste schon René Siegel-Sorell, als er im Oktober 1983 in einem früheren Kino in der Blutenburgstraße sein Theater eröffnete. Die erste Produktion war "Arsen und Spitzenhäubchen", Joseph von Kesselrings schwarzhumorige Krimikomödie um Giftmischerinnen im fortgeschrittenen Lebensalter. Der Erfolg der damals einzigen Krimibühne Deutschlands gab ihm Recht, und selbst nach den Corona-Einschänkungen lag die Platzausnutzung in der 39. Spielzeit bei 81 Prozent.
Das entspricht nicht ganz dem Niveau der Vorpandemiezeit, aber das Publikum, das sowohl aus der Nachbarschaft herüberkommt als auch aus einer Umgebung anreist, die sich bis Österreich und in die Schweiz erstreckt, ist treu. Zum 40. Geburtstag plante man in der Neuhauser Bühne einen hochkarätigen Whodunit-Klassiker von Agatha Christie. Doch für den "Mord im Orient-Express" müssen zehn Schauspielerinnen und Schauspieler auf die Bühne gestellt werden.
Wegen der vielen Unwägbarkeiten während der Pandemie hielt Melanie Kisslinger lieber die Finger von diesem in jeder Hinsicht aufwändigen und planungsintensiven Projekt. "Aber das Stück wird kommen", verspricht die neue Leiterin des Blutenburg-Theaters. Stattdessen startet die neue Spielzeit mit "Die toten Augen von London" von Edgar Wallace. Anders als der Theatergründer, der Schauspieler war, die Mörder und ihre Opfer spielte und selbst inszenierte, hat Kisslinger keine künstlerischen Ambitionen. Sie überlässt die Regie und die Schauspielerei Leuten, die es gelernt haben.
Sie hingegen hat Krimibühne von der Pike aus gelernt. Sie war 19, als sie im Jahr 2000 mit den Eltern eine Vorstellung besuchte und zu dieser Zeit einen Studentenjob suchte. Siegel-Sorell suchte hingegen eine Arbeitskraft für den Kartenverkauf. Sie begann auf Minijobbasis an der Theaterkasse und wuchs nach und nach in den Betrieb hinein. "Ich habe nie davon geträumt, Theaterleiterin zu werden, war auch nie besonders ehrgeizig, aber zu einem gewissen Zeitpunkt war es die logische Konsequenz". Sie übernimmt jetzt von Anne-Beate Engelke, der Witwe von René Siegel-Sorell, der vor sechs Jahren 77-jährig starb. Der Patriarch der alten Schule hatte eine Ausbildung bei der Schauspielschule Zerboni absolviert und Engagements im Theater am Dom in Köln sowie auch im Residenztheater in München.
Das Blutenburg-Theater hingegen "war sein Baby", meint Kisslinger, "und er war für mich auch die prägende Figur". Die hierarchische Struktur, die man am Theater durchaus manchmal brauche, so erklärt die neue Chefin, werde sie aber "ein wenig aufweichen". Das bewährte Konzept und seiner Mischung aus klassischen Krimistoffen, modernem Boulevard in mörderischem Milieu und ganz neuen Texten zeitgenössischer Autoren werde natürlich erhalten bleiben.
Dieser Markt neuer Kriminalstücke sei riesig, aber es gebe zu viel Schund: "Viele Leute glauben, sie können Krimis schreiben. Ich glaube, sie können es nicht". Sogar Altmeister Edgar Wallace wird von Melanie Kisslinger bei handwerklichen Fehlern ertappt. Die vielen Personen, Schauplätze und Handlungen seiner Romane führten häufig nirgendwo hin - "diese Krimis sind manchmal wie ein großer Teller Spaghetti". Für die Bühnenadaption von "Die toten Augen von London" hat Hausautor Frank Piotraschke "viele Handlungsstränge rausgeworfen, die wichtigen zu Ende geführt und auch einen guten Humor eingebracht".
Piotraschke ist nicht nur der Regisseur des Wallace-Grusels, sondern als Dramatiker für die modernen Themen zuständig. Als Ergebnis eines "gemeinsamen Herumspinnens" entstand beispielsweise "Der Enkeltrick", der ein Phänomen aktueller Kriminalität in eine schräge Mördergeschichte packte. Ältere wie junge Menschen - von denen es in ihrem Publikum immer mehr gebe - hätten sich mit den beiden Figuren stark identifiziert, beobachtete Kisslinger. "Speziell die älteren Damen freuten sich, dass sich endlich einmal eine Oma wehrt". Besser könne Theater nicht laufen, wenn es gelinge, alle Generationen zu begeistern.
Blutenburg-Theater, Premiere diesen Samstag, bis 17. Februar dienstags bis sonntags, 20 Uhr, sonntags 18 Uhr, Tel: 1234300
- Themen:
- Mörder
- Residenztheater