Bisserl narrisch, aber echt
Marianne Sägebrecht will sich nicht verbiegen und erteilt Hollywood Absage um Absage. Dennoch steckt sie über beide Ohren in jeder Menge neuer Projekte.
Sie war auf dem besten Weg, ein Hollywoodstar zu werden, in den 90er Jahren aber zog sich Marianne Sägebrecht aufs Land zurück. Einen einzigen Film drehte sie noch pro Jahr. Heute ist die 63-Jährige, die am Starnberger See lebt, in der ARD-Komödie „Immer Wirbel um Marie“ zu sehen.
AZ: Frau Sägebrecht, unter den deutschen Schauspielerinnen sind Sie eine Ausnahmeerscheinung. Hat man es schwerer, wenn man nicht ins gängige Schönheitsraster passt?
MARIANNE SÄGEBRECHT: Ich fühle mich schön, aber die Männer haben es natürlich einfacher. Nehmen Sie den wunderbaren Dieter Pfaff – das Publikum liebt ihn. Bei den Frauen ist es dramatischer, viele bekommen einen Coach und müssen rigide abnehmen. Aber ich selber bleibe eine Volksfigur, die vielleicht ein bisserl narrisch ist, die sich aber treu bleibt.
Und auch nicht jede Rolle spielen muss?
Natürlich spiele ich auch die passenden Rollen und keine Berliner Professorengattin. Ich gebe den Leuten mein nacktes Gesicht. Ich lasse meine Zähne nicht amerikanisch zurechtstutzen, ich lasse auch meine Sprache nicht abschleifen, und ich schwitze, wenn ich koche. So sieht ein Mensch eben aus. Ich bin froh, dass ich als echter, runder Mensch auf der Zelluloidwiese mitlaufen darf, als hochsensibler Dickhäuter. Zur Elefantenmama sagt ja auch keiner: Olga, was ist mit deiner Taille?
Sie sagten schon mal: „Ein Film muss gut gewürzt sein, und ich bin der Knoblauch.“ Ist das nicht ein sehr zweischneidiges Kompliment?
Genau, man mag Knoblauch oder man mag ihn nicht, aber er hat die Gabe, die einzelnen Gewürze in einem Topf zu verfeinern und zu verbinden. Meine Figuren sind pure Anarchie, die sich nicht gefallen lassen, zum passiven Wesen gemacht zu werden. So wie die Marie im Film – sie bringt die von der Arbeitslosigkeit bedrohten Frauen dazu, gemeinsam mit ihr zu kämpfen. Damit kann ich mich sehr gut identifizieren.
Wenn Sie nur Figuren spielen, mit denen Sie sich identifizieren können, käme eine Mörderin dann gar nicht in Frage?
Es käme darauf an. Aber an spekulativen, sensationslüsternen Dinge hab’ ich kein Interesse. Ich sollte in Clive Owens Film „Children of Men“ mitspielen, in dem die Frauen keine Kinder bekommen dürfen, sollte die Initiatorin spielen, die das System kontrolliert. Undenkbar, ich will nicht solche lebensverneinenden Charaktere verkörpern.
Das war ja nicht das erste Mal, dass Sie Hollywood einen Korb erteilt haben.
Ja, man wollte in Amerika nach dem Film „Der Rosenkrieg“ die Sägebrecht immer exzessiv als fülligen Menschen besetzen. Mel Brooks hat vor vielen Jahren den Film „Helden in Strumpfhosen“ gedreht, und welche Rolle wurde mir angeboten? Die dicke, große Brunhilde, unter der das Pferd keucht und die schließlich runterfällt und einen Riesenkrater in die Erde schlägt. Warum sollte ich so was spielen? Bloß, damit ich hinterher sagen kann, ich habe mit Mel Brooks gespielt? Da mache ich lieber meine Lesungen, das ist auch eine Existenzgrundsicherung.
Zuletzt sah man Sie nur noch einmal im Jahr in einem neuen TV-Film. Warum?
Ich bin 1999 aufs Land gezogen, um innere Einkehr zu halten. Ich war vorher in Amerika, ich hab’ in Italien, in Polen, in Russland gedreht, ich konnte nicht mehr. Ich musste Luft holen und die Erde wieder spüren. Diese letzten neun Jahre waren sehr wichtig für mich, ich habe in dieser Zeitspanne auch meine beiden Bücher geschrieben. Aber jetzt wird es wieder mehr: Ich habe die Märchenverfilmung „Frau Holle“ gemacht, im nächsten Jahr drehe ich eine dritte „Marie“, außerdem werde ich in Kanada und Italien einen Film drehen, er heißt „Grandma“. Und ich reise für einen Dokumentarfilm auf den Spuren der Naturforscherin Maria Sibylla Merian nach Surinam.
Was machen eigentlich Ihre Pläne, nach Italien auszuwandern? Gefällt es Ihnen hier nicht mehr?
Ich habe es gut hier in Deutschland, in Bayern. Hier hab ich meine Familie, meine Scholle, meine Kräuter und meine Tiere, ich bin aber auch in ein paar Minuten in der Stadt und kann ins Theater gehen. Aber die Familie meines Schwiegersohns lebt in Sizilien, und wenn ich älter bin, will ich mit guten Freunden dahin gehen. Dort wollen wir mit der Großfamilie leben, Tiere halten und einen großen Olivenhain bestellen. Das ist mein Plan fürs Alter. Es wird aber noch eine gute Weile bis dahin dauern.
Interview: Cornelia Wystrichowski
Marianne Sägebrecht, am Freitag in „Immer Wirbel um Marie“ um 20.15 Uhr im Ersten