Bis die Hosenbeine flattern

Wildes Jammen mit den Red Hot Chili Peppers in der ausverkauften Olympiahalle
Michael Grill |
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Die Kalifornier sind eine Band, die ungefähr alle zehn Jahre den Sound einer Generation prägt. Das war 1989/91 mit „Mother’s Milk”/ „Blood Sugar Sex Magic” so, dann 1999 mit „Californication” – die Red Hot Chili Peppers wären inzwischen längst wieder dran. Entsprechend groß ist die Spannung in der ausverkauften Olympiahalle.

Und sie legen los wie die Feuerwehr: Das neue „Monarchy Of Roses” eröffnet sehr cool und verheißungsvoll. Dann sofort jener Song, dessen Intro Spannung aufbaut wie kein zweites: „Can’t Stop” – schon tanzt die ganze Halle, und sie wird sich nun für zwei Stunden auch nicht mehr hinsetzen. Es folgt „Scar Tissue” mit kleinem Drumsolo, dann „Dani California” – es ist ein so fulminanter Einstieg, dass man sich zu fragen beginnt, was „RHCP” eigentlich am Schluss noch spielen wollen.

Sänger Anthony Kiedis sieht gesund aus, trägt aber auch an diesem Abend seinen Ekelschnauzbart zum strengen Seitenscheitel. Gitarrist Josh Klinghoffer, der Neuling, erzeugt tadellos den berühmten „RHCP”-Klang aus Funk-Stakkato und Metal-Brett, ist aber im Posing so sehr engagiert, dass man merkt: Hier muss sich jemand noch beweisen.

Die Bühne beherrscht eine Konstruktion aus sieben kleineren hängenden und einem großen rückwärtigen Screen – im Prinzip simpel, aber technisch komplex und effektvoll. Die Optik erinnert an die Liveshows von Muse, der permanente Fluss der Bilder wird rasend schnell. Klar: In Zeiten, in denen selbst die Staatsoper mit 3-D-Projektionen aufwartet, darf die Hochkultur des Rock im Wettrüsten nicht den Anschluss verlieren.

Die Musik prägen große Hits und kleine, wilde Jamsessions. Da geht es sehr laut und heftig miteinander und durcheinander – es liegt etwas Handgestricktes über diesem Konzert, ein sympathisches Risiko, das es spannender macht als andere. Vor „Throw Away Your Television” liefert Bassist Flea Balzary ein Solo, dass die Hosenbeine flattern. Höhepunkt ist das steinalte „Blood Sugar Sex Magic” in einer hammerharten, aber eben gerade nicht durchgehämmerten Psychedelic-Version: die Essenz der Band. Das Publikum hat seine größten Favoriten bei den Welt-Hits der „Californication”-Jahre. Auch insofern ist es imponierend, was die Band an subkulturellem Lärm den Leuten immer noch zumutet – und damit gut ankommt. Erst läuft Balzary zur Jam im Handstand über die Bühne, dann covern sie – als Nachhilfe fürs Pop-Publikum – den Blues-Urgroßvater Robert Johnnson: „They’re Red Hot”.

Großer Jubel, ganz großer Jubel. Es war nicht unbedingt gleich der Sound einer neuen Generation, aber doch zweifellos eine der besten Shows, die man derzeit sehen kann. Nur: Wer vor gut 20 Jahren die Red Hot Chili Peppers in der Unterföhringer Theaterfabrik gesehen hat, der weiß, dass diese Band einmal eine noch ganz andere Urgewalt hatte, die mit der heutigen nicht vergleichbar ist.

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