Berni Mayer und sein Roman „Rosalie“

Jugend-Erzählungen aus der Provinz müssen nicht öde sein: Der gebürtige Niederbayer Berni Mayer behandelt in seinem Roman „Rosalie“ ein Stück dunkle Ortsgeschichte
Philipp Seidel |
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Brauchtum wie die Leonhardifahrt gilt in Bayern noch etwas, vor allem auf dem Land. Es stärkt den Zusammenhalt. Doch der kann auch zu einer Mauer des Schweigens werden.
Angelika Warmuth/dpa Brauchtum wie die Leonhardifahrt gilt in Bayern noch etwas, vor allem auf dem Land. Es stärkt den Zusammenhalt. Doch der kann auch zu einer Mauer des Schweigens werden.

Jugend-Erzählungen aus der Provinz müssen nicht öde sein: Der gebürtige Niederbayer Berni Mayer behandelt in seinem Roman „Rosalie“ ein Stück dunkle Ortsgeschichte

Stoff für starke Erzählungen muss man nicht nur in der glitzernden oder grauen Stadt suchen. Auch die Provinz hat da einiges zu bieten. Berni Mayer hat mit „Rosalie“ einen lesenswerten Roman aus seiner niederbayerischen Heimat geschrieben. In diesem Nest Praam an der Schwarzen Laaber haben die Straßen keine Namen, „auf Briefe schreibt man lediglich Praam und die Hausnummer“.

Sein Held, Konstantin, ist dort aufgewachsen, zieht mit seinen Freunden, dem „Böhmi“ und dem „Bartl“, herum und will nach dem Abitur natürlich bald weg. Er ist aber recht angetan, als Rosalie – genannt Rosa – aus München auftaucht, beim Kreuzweg am Karfreitag des Jahres 1986: „Mich ergriff, wie sie in ihrer Fremdhaftigkeit herausleuchtete aus dem Praamer Karfreitagsschwarz. Es war nicht nur ihre Blässe oder die mutmaßlich papierdünne Haut, es war diese Mischung aus überheblicher Teilnahmslosigkeit und spöttischer Neugier auf unsere Riten.“

Die Zierdecke weggerissen

Erzählt wird diese Geschichte zweier Außenseiter als Rückschau: Konstantin kommt zur Beerdigung seines Vaters nach langer Zeit wieder in sein Heimatdorf und erinnert sich an die Zeit mit Rosa: Wie die beiden als Teenager einander näherkommen, gemeinsam einen grausigen Fund im örtlichen Wasserschloss machen – und etwas noch Grausigeres entdecken, das tief in die dunkle Vergangenheit des Dorfes hineinreicht und über das die Dorfbewohner schweigen. So kommt zur Liebes- noch ein Stück Lokalgeschichte.

Einzelheiten über das NS-„Polenkinderlager“ in Laberweinting sind erst vor wenigen Jahren an die Öffentlichkeit gelangt. Die Säuglinge von osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen sollten in diesem Lager „verwahrt“ werden – und kamen dabei dutzendfach ums Leben. Berni Mayer verankert seine Provinzgeschichte durch diesen Hintergrund hart in der Realität.

Er habe, schreibt Mayer in einem Geleitwort, die Zierdecke von diesem Ort genommen. So legt er frei, was unter der Oberfläche aus Katholizismus, Vereinsleben und der beschaulichen Welt zwischen niederbayerischen Feldern und Flüsschen so vor sich hinbrodelt. Er hat eine „Southern Gothic Novel“ geschrieben, wie er es selbst nennt.

Keine Seppl

Mayer wurde 1974 in Mallersdorf geboren, wuchs im benachbarten Grafentraubach auf und lebt heute mit seiner Familie in Berlin. Er war Online-Chefredakteur der Musiksender MTV und Viva, hat drei Krimis geschrieben, und er ist Musiker, Blogger und Übersetzer.

Mayer schreibt unaufgeregt, sein Erzähler drängt sich nie in den Vordergrund. Er erzählt vom niederbayerischen Dorfleben in den 1980ern und stellt seine schillernden Figuren in die Landschaft, ohne sie zu Seppl-Figuren zu machen. Angenehm auch: Er kumpelt sich nicht mit Popkultur-Erinnerungen (Twix hieß ja damals noch Raider und dergleichen) an die Leser heran.

Im besten Sinn bodenständig

Berni Mayer hat etwas zu erzählen, was über die hinlänglich bekannten Jugend-auf-dem-Dorf-Erinnerungen weit hinausgeht. Rosalie will er auch als Neubewertung seiner Heimat verstehen – was ihm hiermit geglückt sein dürfte. Und schließlich: Mayer ist ein im besten Sinne bodenständiger Erzähler.

Berni Mayer stellt „Rosalie“ (DuMont, 288 Seiten, 20 Euro) beim „Winter Mix“ am 24. Januar im Literaturhaus vor (20 Uhr)

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