Bärig zappelnder Turbokapitalismus
Bitterböse Satire: „Das fünfte Imperium“ von Kultautor Viktor Pelewin im Volkstheater
Geld regiert die Welt. Die dumme Mehrheit der Menschen strampelt sich ein Leben lang ab für Geld, von dem am Ende wenig bleibt. Denn eine Spezies von Blutsaugern schöpft ohne viel Mühe das Lebenselixier der Arbeitenden ab: Die Herren, die die Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht haben und daran noch verdienen. Der russische Kultautor Viktor Pelewin beschreibt sie in seiner Gesellschaftssatire „Das fünfte Imperium“ als zynische Vampire, denen die Menschen nur Melkvieh sind.
Die 31-jährige Regisseurin Mareike Mikat hat ihre Theateradaption des Romans auf die Kleine Bühne des Volkstheaters gebracht: Zwei kurzweilige Stunden, in denen allerdings die überbordende Action oft die Aussage erschlägt.
„Nutzen Sie Ihre Chance zum Eintritt in die Elite“, wirbt eine Video-Anzeige. Der junge, arbeitslose Rama aus einer tristen Plattenbausiedlung im postsowjetischen Russland hat gerade noch deformierte Sowjetsterne abgepflückt, da findet er sich nach einem Biss in den Hals in einer erstklassigen Vampirologie-Schulung: Die Hauptfächer sind „Glamour“ und „Diskurs“, daneben vampirische Kampfkunst („amoralisch und effizient“) sowie Liebeskunst (grausam an einem Stoffteddy demonstriert).
Unter Vampiren
Mit großen Augen lässt sich Justin Mühlenhardt als überzeugend naiver, emotionaler Rama von seinen Erziehern mit Geld überschütten und als Macho ausstaffieren. Er lernt durch „Verkostung der roten Flüssigkeit“ das Wesen der Blutspender kennen, hängt nach Fledermausart kopfüber in der Bar „Hamlet“ ab und kostet bei der großen Göttin Ishtar das süchtig machende Bablos-Elixier. Dummerweise liebt er seine Azubi-Kollegin Hera, die ihn kaltherzig und gnadenlosin der Karriere überholt.
Eine Packpapierwand zerreißt immer mehr, auf dem Metallgerüst dahinter (Ausstattung: Marie Roth) überraschen die Vampir-Lehrer den Neuling mit komischen, absurden Erscheinungen. Andrej Kaminsky gibt schön scharf konturierte Figuren bis hin zum Lenin-Zitat, Pascal Fligg als Draufgänger Mitra wird zum Rivalen, Jean-Luc Bubert verwechselt mit seinen schwulen Mätzchen zunehmend aufdringlichen Exhibitionismus mit Schauspielerei. Die grausame Hera von Anika Baumann züngelt zwischen ihren Reißzähnen gefährlich wie eine Mamba und faucht wie ein Raubtier.
Pelewin spielt reichlich auf russische Gegenwart an: Dass eine Bar „Der betrunkene Jelzin“ heißt, darüber kann man lachen, dass Präsident Medwedew als Bär (Russisch: Medwed) herumstolpert, verstehen nur Russischkenner. Mareike Mikat hat für Pelewins surreale Metapher auf den Turbokapitalismus eine Überfülle an Action gefunden. Das lenkt vom Text ab, und da Pelewins Romanwelt sich in der Bühnenverkürzung ohnehin schwer erschließt, täte weniger Zappelei nur gut.
Gabriella Lorenz
Volkstheater, Kleine Bühne, 24. Juni, 2. Juli, Tel.523 46 55
- Themen:
- Arbeitslosigkeit
- Dmitrij Medwedew