AZ-Stern-Preisträgerin Katharina Bach: Immer hoch hinaus

München - Eine Flasche Schampus, ja, das wäre es eigentlich gewesen. Auf das kleine Manko macht Katharina Bach lachend aufmerksam, während sie im ersten Stock der Kammerspiele steht und darauf wartet, dass ihr der AZ-Stern 2021 in der Kategorie "beste Schauspielerin" überreicht wird. Normalerweise werden die AZ-Sterne des Jahres ja Anfang Februar während einer feierlichen Zeremonie im Lustspielhaus verliehen. Omikron verhindert jedoch solche Feste immer noch, daher die etwas bescheidenere Übergabe im Foyer. Immerhin: Als man, auf Anraten eines AZ-Kollegen, zum Ausgleich und perlend wie Sekt DJ Ötzis "Ein Stern, der deinen Namen trägt" anstimmt, kontert Bach kurz mit "Du bist mein Stern" von Rapper Ayman.
Preisträgerin Katharina Bach: Energetische Theater-Performances
Spontan und musikalisch begabt ist sie allemal, dazu kommt eine fulminante Spiel-Energie, die einen allein beim Zuschauen umnietet. Mit der neuen Intendanten Barbara Mundel kam Katharina Bach an die Kammerspiele und fiel gerade im letzten Jahr in gleich mehreren Produktionen auf. Gemeinsam mit Svetlana Belesova und Thomas Schmauser turnte sie zum Beispiel sprachlich wie körperlich furios durch die Uraufführung von Thomas Lotz' neuem Stück "Die Politiker". Oder ließ sich als Erika Mann für das ungewöhnliche, zwischen Performance und Installation angelegte Vexierspiel "Gespenster" in einen großen Glaskasten sperren. Bis die freigeistige, kettenrauchende Erika am Ende ausbricht.
Inszenierungen, die von den einengenden, gewaltvollen Strukturen des Patriarchats und weiblichen Emanzipationsbestrebungen erzählen, sind an den Kammerspielen unter Barbara Mundel en vogue. In Jessicas Glauses Recherchestück zu den "Bayerischen Suffragetten" war Katharina Bach Teil des vornehmlich weiblichen, sehr spielfreudigen Ensembles. In Jan Bosses Inszenierung "Effingers" nach dem wiederentdeckten, großen Familienroman von Gabriele Tergit spielte sie die jüngste Effinger-Tochter Sofie, die eigentlich künstlerisches Talent hat, aber vor allem erstmal verheiratet werden soll.
Katharina Bach: Positives Klima an den Kammerspielen
Die Verschiedenartigkeit der Produktionen, der Experimentiergeist an den Kammerspielen gefällt Katharina Bach. "Ich habe das Gefühl, dass wir hier was Neues ausprobieren. Auch, dass Inklusion hier wirklich programmatisch gedacht wird und Hierarchien aufgebrochen werden, hat mich angezogen. Und mich hat die weibliche Note interessiert".
Am Schauspiel Frankfurt, wo sie von 2012 bis 2019 im Ensemble spielte, gaben doch vor allem Männer den Ton an, wobei es die in Frankfurt tätigen Regisseure Jan Bosse und Jan-Christoph Gockel waren, die sie in München empfohlen haben. An den Kammerspielen arbeitet Bach nun verstärkt mit Frauen zusammen, mit Jessica Glause - oder Felicitas Brucker, mit der die Proben zu "Die Politiker" offenbar ein befriedigender, offener Prozess waren.

Neue Ideen bei den Proben entwickeln und aktiv einbringen
"Dass wir zum Beispiel Text zu dritt überlappend sprechen, entstand erst beim Proben", erinnert sich Bach. "So muss eine Probenzeit ja auch sein: dass man nicht einer Vision nachhängt und sie erfüllen muss, sondern dass jede und jeder irgendwelche Ideen entwickeln kann, dass man die ausprobiert und gegebenenfalls wieder verwirft, bis irgendwann das Ganze steht." Der Text von Wolfram Lotz hatte von Anfang an den Charakter einer Partitur, in der die Worte nicht unbedingt einen Sinn ergeben mussten, sondern es vor allem um den Klang ging. "Wir drei haben uns auch als Band verstanden."
Schauspielerin Bach auch als Musikerin auf der Bühne
Am Samstag steht Katharina Bach nun wieder als Teil einer Band auf der Bühne. "bitchboy" nennt sich die Gruppe, bestehend aus Martin Standke (Schlagzeug), Tim Roth (Bass), Yuriy Sych (Piano), Tomek Witiak (Gitarre) und Bach als Leadsängerin, die auch selbst zur Gitarre greift. Unter dem Titel "The Fe.Male Trail" performen sie Lieder von Nick Cave, ergänzt um Texte, die Bach selbst geschrieben hat. Die Produktion hatte ihre Premiere im Herbst 2019 in Frankfurt und wandert nun ins Repertoire der Kammerspiele. Ihre Begleit-Musiker hatte Bach in Frankfurt kennengelernt, zum Teil komponierten diese die Theatermusik am Schauspielhaus. "Wir sind uns also öfters über den Weg gelaufen. An einem Abend war der Weißwein-Anteil im Blut hoch und wir meinten, hey, wir müssen den Cave machen!"
Dabei hatte Katharina Bach die Musik von Nick Cave erst vor zehn Jahren entdeckt. Die düstere Melancholie des Australiers empfand sie durchaus als anziehend, aber besonders gefiel ihr, "dass er so einen epischen Touch hat. Er erzählt in seinen Songs Geschichten, die sich locker über acht Minuten ziehen können. Dabei versteht man nicht alles, aber gerade das mag ich auch, weil dabei etwas Poetisches entsteht." 2019 sah sie Cave bei einem Konzert seiner Solo-Tournee. "Er saß allein am Klavier und die Leute durften ihm Fragen stellen, was schon ziemlich schräg war. Ich wollte ihn auch mal in seinem ganzen Verhalten sehen, was für ein Typ er ist."
Die Songs von Nick Cave aus weiblicher Perspektive gesungen
Den religiösen Gestus, den Cave auf der Bühne pflegt, mit ihm als Wanderprediger des Rocks, der seine Fans bei Bedarf mit der Hand segnet oder sogar umarmt, konnte sie erstmals live erleben. "Man konnte fast denken, da steht Jesus vor dir."
Bei ihrem Konzert ergänzt sie Caves Kosmos um eine weibliche Perspektive. "Er hat ja schon einen sehr klassischen männlichen Blick auf Frauen. Das sind wunderschöne Wesen, Engel, Mütter oder Huren, denen der Mann verfällt, die himmlisch und begehrenswert sind, aber auch etwas Dämonisches an sich haben. Indem ich als Frau diese Texte singe, mache ich automatisch eine andere Dimension auf. Dazu kommen meine Texte, in denen ich mich zum Beispiel damit auseinandersetze, wie das für mich mit der Religion ist. Wir Frauen sollen ja an allem schuld sein, wir brachten die Sünde überhaupt erst ins Spiel, aber am Ende hängt Jesus am Kreuz und erlöst uns von den Sünden. Interessant, oder?"
Multiinstrumentalistin Bach überzeugt auch auf der Trompete
Womöglich wird Katharina Bach an dem Abend auch Trompete spielen - ein Instrument, das sie neben der Gitarre beherrscht. Für Jan-Christoph Gockels Inszenierung "Eure Paläste sind leer" nahm sie nach langer Pause mal wieder eine Trompete in die Hand und streute ein paar hübsche Soli in Gockels postkolonialistische Puppen-Schau ein. Wieso hat sie ausgerechnet dieses Instrument gelernt? "Mein Vater hatte damals immer so Sample-CDs. Auf einer war ,Infinity' von Guru Josh drauf, so ein trashiger Techno-Song aus den frühen Neunzigern. Da gibt es eine Fanfare, die eigentlich von einem Synthesizer gespielt wird. Aber ich dachte, das wäre eine Trompete. Also wollte Klein-Katharina Trompete lernen!"
Bach, geboren im nordrheinwestfälischen Remscheid, begann ihre künstlerische Karriere also erstmal mit Musik. Am Theaterspielen hatte sie eigentlich kein Interesse, aber eine Freundin von ihr wollte Schauspielerin werden. "Mit der habe ich immer wieder Quatsch gemacht. Später habe ich in der Theater-AG meiner Schule mitgespielt. Meine Lehrerin meinte eines Tages, du, Katharina, willst du dich nicht an einer Schauspielschule bewerben?"
Nachdem die erste Bewerbungstour erfolglos blieb, fing Bach an, in Leipzig Theaterwissenschaft und Philosophie zu studieren, war damit jedoch wenig glücklich, sprach erneut vor - und wurde in Bochum genommen. Eine klassische Schauspiel-Ausbildung sei das gewesen, so Bach, wobei sie eine herausragende Lehrerin im Bereich Körperarbeit hatte.
Interaktion mit den Bühnenbildern
Was man heute noch sieht: Katharina Bach besticht durch intensives körperliches Spiel. Gerade die Kletter-Exzesse in "Die Politiker" bleiben in Erinnerung. "Wenn ich ein Bühnenbild sehe, denke ich immer gleich: Was kann ich damit machen? Welche Räume sind angedacht, welche kann ich noch finden? Ich glaube, das wissen die Leute hier am Haus mittlerweile auch schon. Wenn die Proben anfangen, heißt es: Ja, die Bach, die klettert wahrscheinlich irgendwo wieder oben drauf."
Beim Nick-Cave-Abend ist mit so viel ausschweifender Bewegung nicht zu rechnen. Und auch von den Leiden Nick Caves, der in seinen Songs gerne mal seine inneren Dämonen zum Vorschein bringt und auszutreiben versucht, scheint Bach weit entfernt zu sein. "Mir geht's hier ziemlich gut am Theater. Wenn ich das Haus betrete, habe ich das Gefühl, dass die Dämonen draußen vor der Tür bleiben. Es hat was Sicheres, auf der Bühne zu sein, auch wenn natürlich alles unsicher ist. Aber draußen herrscht das Chaos. Dem sich immer wieder zu entziehen, finde ich schon sehr heilsam."
Für die Premiere am Samstag, 29. Januar, 20 Uhr, gibt es noch Karten unter www.muenchner-kammerspiele.de oder Telefon 233 966 00 und vielleicht an der Abendkasse. Weitere Aufführungen am Freitag, 4.2., 20 Uhr, und Samstag, 26.2., 20.30 Uhr