Autor Christian Gottwalt: Allein in der Modehölle

Der Münchner Christian Gottwalt arbeitete als einziger Mann unter 33 Frauen bei einen Modemagazin. Nach zwei Jahren gab er auf und schrieb seine Erlebnisse im Roman "Ich bin ein Mann, holt mich hier raus!" auf
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Andy (Anne Hathaway, li.) leidet im Kinofilm „Der Teufel trägt Prada“ unter Miranda (Meryl Streep), der bösartigen Chefin eines Modemagazins.
20th Century Fox 2 Andy (Anne Hathaway, li.) leidet im Kinofilm „Der Teufel trägt Prada“ unter Miranda (Meryl Streep), der bösartigen Chefin eines Modemagazins.
Christian Gottwalt hat zwei Jahre bei „InStyle“ gearbeitet.
Slavica Ziener 2 Christian Gottwalt hat zwei Jahre bei „InStyle“ gearbeitet.

MÜNCHEN - Der Münchner Christian Gottwalt arbeitete als einziger Mann unter 33 Frauen bei einen Modemagazin. Nach zwei Jahren gab er auf und schrieb seine Erlebnisse im Roman "Ich bin ein Mann, holt mich hier raus!" auf

Alle Zuschauer im Kinosaal haben sich totgelacht“, erzählt Christian Gottwalt. „Ich aber fand ,Ein Teufel trägt Prada’ kein bisschen komisch. Der Film war für mich viel zu nah an meiner erlebten Wirklichkeit.“ Meryl Streep gibt in der Komödie die bösartige Chefredakteurin eines Modehefts, die ihre Assistentin mit skurrilen Aufgaben schikaniert. Dazu ist Andy (Anne Hathaway) mit Kleidergröße 36 auch noch viel zu dick für den Job.

Gottwalt hatte damals gerade bei der Frauenzeitschrift „InStyle“ angefangen – nach zehn Jahren „SZ Magazin“. Plötzlich saß er als einziger Mann allein unter 33 bildhübschen Frauen, umgeben von Cremetöpfen, Parfums und Lippenstiften. „Für so manche Praktikantin kann so ein Magazin die absolute Hölle sein“, sagt der 40-jährige Münchner der AZ. Denn das Schönheitsdiktat herrscht nicht nur im Heft. „Alle jungen Nachwuchskräfte stehen unter der ständigen Selbstbefragung: ,Sehe ich eigentlich gut genug aus für den Job?’“

Da hatte Gottwalt als neuer Textchef – noch dazu männlicher – einen besseren Stand. „Ich habe die Damen nicht weiter gestört. Das Theater ging einfach weiter, ob ich da war oder nicht.“ Gottwalt hat beobachtet, viel gelernt und seine Erfahrungen im Roman „Ich bin ein Mann, holt mich hier raus!“ verarbeitet.

„Ich habe viele neue Seiten an Frauen entdeckt, sagt er, vor allem was ihr Äußeres betrifft. Er selbst hätte auf so manche Erkenntnis zwar lieber verzichtet. Denn ein Stück weit entzaubert sei das weibliche Geschlecht, wenn man allzu viel über Peelings, Anti-Aging-Kuren und Brazilian Waxing weiß. „Aber es gibt auch Situationen, in denen es hilft“, sagt Gottwalt. „Ich kann Frauen heute viel bessere Komplimente machen, ihnen schmeicheln, weil ich Dinge sehe, die mir zuvor gar nicht aufgefallen sind.“

Sein Buch hat Gottwalt mit all den Kolleginnen abgestimmt, die sich wiedererkennen könnten. Besser so, denn er weiß: „Eine reine Frauentruppe ist immer ein unkontrollierbarer Hühnerhaufen, ein hierarchiefreies Netzwerk, wo von unten, oben und auch der Seite gestochen wird.“ Wurde es Gottwalt zu viel, zog er sich auf die Männertoillette zurück – da hinein traute sich noch nicht einmal die Chefin.

Zwei Jahre lang hat Gottwalt bei „InStyle“ durchgehalten. „Dann war’s genug. Vieles wiederholt sich irgendwann.“ Missen möchte er die Erfahrung aber nicht. „Ich habe dort meine eigene Männlichkeit geschärft“, glaubt er. „Unter Männern gibt es immer einen Leitwolf, hinter dem man sich verstecken kann. Der trifft die Entscheidungen und erzählt laut Witze, man selbst kann schweigen.“ Als einziger Mann unter Frauen sei es dagegen immer ganz entscheidend, wie man sich verhält. „Das war für meine Männlichkeit mit Sicherheit sinnvoller als 15 Monate Bundeswehr.“

Heute arbeitet Gottwalt als freier Autor. „Kleidung kaufen macht mir nach wie vor nicht den geringsten Spaß. Und ich dusche auch heute nur mit Seife.“ Nach seinem Job bei ,InStyle’ hat er zwei Wochen bei der „ADAC Motorenwelt“ ausgeholfen. Statt um Gucci, Prada und Versace ging’s um Hubraumraumdrehzahlen, Schneeketten und Kindersitze. „Apropos Kindersitze“, sagt Gottwalt, „ich suche seit geraumer Zeit einen türkisen, damit er zu meinem Fahrrad passt“. Ganz unbeschadet hat er die „InStyle“-Zeit also nicht überstanden.

Angelika Kahl

„Ich bin ein Mann, holt mich hier raus“, Heyne, 8,95 Euro

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