Aufmarsch an der Bilderfront
Trachtler, Athleten und flotte Mode-Blondinen im Pelz – unter dem Titel „Typographie des Terrors“ zeigt das Stadtmuseum Plakate, die zwischen 1933 und 1945 in München entstanden sind.
Die barbusige Afrikanerin amüsiert sich teuflisch. In einem Fantasieboot voller Herzen zupft sie auf einer arabischen Laute, und im Wasser lauert schon das Krokodil. Klar, man ist „Auf Safari“ und das schwarze Girl – Josephine Baker lässt grüßen – darf zum „phantastischen Fest des Reichskolonialbundes“ ins Deutsche Theater laden. Ein komischer Kracher unter all den Plakaten der NS-Zeit, die jetzt im Stadtmuseum zu sehen sind. Aber das Lachen bleibt einem im Halse stecken: Im Fasching scheint alles erlaubt, und wenn’s mal ganz derb sein soll, macht der gute Arier auf „minderwertige Rasse“ und jodelt zum Jazz. Also zur „Negermusik“, wie’s damals volkstümelnd abschätzig hieß.
Die an Zynismus kaum zu überbietende Farblithografie in Schwarz, Weiß und Rot fällt auf zwischen all den Sturmbannführern und Athleten, den Trachtlern und uniformierten Weibsbildern mit Zahnpastalächeln, den Dolchen und Fahnen. Sie zeigt aber auch, wie so ziemlich alles dafür herhalten muss, den deutschen Bürger auf die rechte Spur zu führen, den passenden Anzug anzudienen oder die Feme-Schau „Entartete Kunst“ zu annoncieren. Dann ist plötzlich sogar der russische Suprematismus eines El Lissitzky gefragt mit seinen zukunftsorientierten geometrischen Formen. Oder das Bauhaus. Selbst vor den Insignien der Erzfeinde wie Hammer und Sichel schreckt die opportune Grafik nicht zurück.
Mit der Zeit schmeckt nur noch mittelmäßige braune Soße
100 Plakate aus Politik, Kultur und Wirtschaft, die von 1933 bis 1945 in München entworfen und gedruckt wurden, demonstrieren diese „Typographie des Terrors“. Sie sind nicht nach Themen gehängt, sondern chronologisch – und genau diese Mixtur besticht. Denn sie macht deutlich, wie sehr die Ideologie der Nationalsozialisten bald sämtliche Bereiche des Lebens durchdringt. Bewusst ohne Rahmen, hinter einfachen Glasscheiben kleben die Objekte förmlich aneinander. Der „Ewige Jude“ mit fiesem Konterfei überm Zottelbart klemmt zwischen einer flotten Blondine im Pelzkragen, deren „Mantel natürlich von Rieger“ stammt, und dem eleganten Mann von Welt im Anzug von „Johann Konen“ – nach der Arisierung.
Um 1936/37, als diese Blätter entstanden sind, leuchten noch kräftige Farben, der Druck hatte Qualität. Doch mit der Gleichschaltung ist auch das künstlerische Niveau im Sturzflug. Kritische Geister wie Paul Renner oder Thomas Theodor Heine sind von der Bildfläche verschwunden, statt dessen kommen Gestalter mit eher mittelmäßigen Fähigkeiten zum Zug.
Nur Ludwig Hohlwein – sein Mönch wirbt bis heute für Franziskaner – hatte bereits eine beachtliche Karriere hinter sich und wurde ab 1933 erst recht zum Grafik-Star. Er konnte es allzu gut mit den neuen Machthabern und kam als einziger nach dem Krieg nicht ganz ungeschoren davon. Die anderen malten munter weiter. Hans Schweitzer, einer der Hauptpropagandisten der Nazis, entwarf immerhin fürs Bundespresseamt. Und auch Max Heiss, der bei Kunstraubaktionen in Erscheinung getreten war, landete in bester Position: 1954 wurde er Direktor des Stadtmuseums – für immerhin 15 Jahre.
Bis 11. November; Katalog (Kehrer Verlag), 39,80 Euro